Sachbuch: Zornige Sprach- und Denkkritik

In den späten 1970er Jahren war seine Kolumne Pflichtlektüre, weit über das angestammte Publikum der linken Monatszeitschrift «konkret» hinaus. In der Rubrik «express» betrieb Hermann L. Gremliza eine Sprachkritik, die auch Denkkritik war. Unbarmherzig griff er verquollene Sätze auf und zeigte, was sich darin verbarg, klischierte Denkmuster, unbewusste Fehlleistungen, reaktionäre Gesinnungen.
Nach einer Zeit als Chefredaktor bei einer Student:innenzeitung hatte Gremliza (1940–2019) beim «Spiegel» angeheuert, wo er 1971 wegen einer Auseinandersetzung mit Verleger Rudolf Augstein kündigte. 1974 liess er das heruntergewirtschaftete «konkret» auferstehen, das einst von Klaus Rainer Röhl gegründet und zeitweise von Ulrike Meinhof geleitet worden war. Von Beginn an verband Gremlizas Neugründung scharfe Meinungsartikel mit Analysen und Recherchen. Viele wichtige Autor:innen schrieben für «konkret», von Rudi Dutschke über Heinrich Böll bis zu Günter Wallraff.
Zornig sezierte er die deutsche Politik mit ihren Überbleibseln alter Nazis, mit neuen Berufsverboten und einer befriedeten SPD. Den US-Imperialismus nannte er jederzeit beim Namen. Gremliza propagierte eine sozialistische Linke, wurde öfter als deren «Drahtzieher» apostrophiert, aber er war scharfsinnig genug, nicht in Fraktionskämpfe zu verfallen. Wenn er, trotz allem, zur Wahl der SPD aufrief, ging es nicht ums billige Argument des kleineren Übels, sondern darum, gegen ganz konkrete Androhungen einer CDU-CSU-Regierung anzutreten.
Gremliza führte die Zeitschrift bis kurz vor seinem Tod. Jetzt hat seine Tochter Friederike Gremliza eine Gesamtausgabe seiner Schriften begonnen, von der die ersten beiden Bände vorliegen. Die frühen Artikel zeigen sich noch gemässigt im Ton. Der zweite Band stammt aus der Hochzeit von Gremlizas Sezierkunst: schreiend komisch, deprimierend aktuell.