Fördermittel: Absage an die kulturelle Vielfalt

Nr. 8 –

Kein Geld mehr von der Deza: Welche konkreten Folgen die Einsparungen für die Schweizer Kulturlandschaft und die internationale Kulturproduktion haben.

Es war ein Riesenerfolg: Der Film «The Monk and the Gun» des bhutanischen Regisseurs Pawo Choyning Dorji landete auf der Shortlist für die Oscars 2024. Dass er überhaupt produziert und einem breiten Publikum bekannt wurde, dazu hat auch die Schweiz beigetragen: Der Film wurde mit 40 000 Franken vom Schweizer Filmproduktionsfonds Visions Sud Est mitfinanziert. Am Internationalen Filmfestival in Fribourg erhielt er vergangenes Jahr den Publikumspreis, und der Trigon-Filmverleih brachte ihn in die Schweizer Kinos. Diese drei Institutionen haben etwas gemeinsam: Sie werden seit Jahrzehnten von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) finanziell unterstützt.

Doch das wird bald nicht mehr der Fall sein: Wegen der Sparmassnahmen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit stellt die Deza auf Ende 2028 jegliche Zusammenarbeit mit Schweizer Kulturinstitutionen ein (vgl. «Zwei Millionen weniger»).

Wichtige Startrampe

Die so eingesparten zwei Millionen Franken sind für die Deza ein verhältnismässig kleiner Betrag. Für die einzelnen Institutionen aber sind es existenzielle Gelder, die einen entscheidenden Einfluss sowohl auf die Schweizer Kulturlandschaft wie auch die globale Kulturproduktion haben. «Filme wie ‹The Monk and the Gun› stehen bildhaft dafür, welchen Schneeballeffekt die verhältnismässig kleinen Investitionen aus der Schweiz für das globale Filmschaffen und dessen Repräsentation bei uns in der Schweiz haben», sagt Meret Ruggle. Die Koleiterin des Trigon-Filmverleihs erläutert: «Schweizweit haben den Film über 20 000 Menschen auf der grossen Leinwand gesehen, Schweizer Kinos haben sehr gut daran mitverdient. Das investierte Geld wurde mehrfach herausgeholt.» Da der Regisseur mittlerweile international bekannt und vernetzt sei, brauche er in Zukunft keine Deza-Unterstützung mehr. Aber: «Als Startrampe war sie für ihn enorm wichtig.»

Zwei Millionen weniger

Auf 2029 beendet die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) alle strategischen Partnerschaften mit Schweizer Kulturinstitutionen. Die Sparmassnahmen sind Teil der Budgetkürzungen von 321 Millionen Franken, die das Parlament im Finanzplan 2026–2028 im Bereich der internationalen Zusammenarbeit beschloss. Betroffen von der Streichung in Höhe von zwei Millionen Franken sind zwölf Institutionen, darunter der Salon du livre de Genève, Artlink, das Zürcher Theaterspektakel, Culturescapes oder die Kurzfilmtage Winterthur. Während die einen versuchen, sich anders zu finanzieren oder ihre Aktivitäten anzupassen, bedeuten die Sparmassnahmen für andere das Ende.

Hinzu kommt, dass auch das Schweizer Publikum von einem Film profitiert, der Einblick in ein Land gibt, von dem man hier kaum etwas weiss. In Zeiten, in der nationalistische Tendenzen weltweit Aufschwung haben und die Zeichen auf nationale Einigelung stehen, sind Geschichten, die den eurozentristischen Blick durchbrechen, notwendiger denn je. Die Deza-Einsparungen bedeuten denn auch eine Absage an diese kulturelle Vielfalt – und sind jetzt, da das Bundesdefizit um 2,5 Milliarden Franken geringer ausfällt als prognostiziert, noch fragwürdiger.

Mit einem Schlag zerstört

Von den Sparmassnahmen Betroffene äussern sich irritiert, dass sie so kurzfristig und ohne Einbezug über die Kürzungen informiert wurden: Mit einem Schlag würden über Jahrzehnte aufgebaute Netzwerke zerstört. Auf Nachfrage schreibt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten: «Die Partner wurden nach der Information des Bundesrates über die Umsetzung der Kürzungen umgehend informiert. Die Kürzungen im Kulturbereich haben keine unmittelbare Wirkung. Einige Programme laufen Ende 2025, andere erst Ende 2028 aus. Mit der schrittweisen und gestaffelten Reduzierung stellt die Deza sicher, dass die Organisationen Zeit haben, sich an die neue Situation anzupassen.»

«Sich an die neue Situation anpassen», das heisst etwa für den Fonds Visions Sud Est, der seit zwanzig Jahren Filmproduktionen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Osteuropa fördert: die Arbeit komplett einstellen. Der Fonds litt bereits unter der Sparrunde im vergangenen Jahr. Die jährlichen 429 500 Franken Deza-Beiträge, die auf Ende 2025 gestrichen werden, machen achtzig Prozent seines Gesamtbudgets aus. Jährlich unterstützte der Fonds mit diesem Geld rund fünfzehn Filmproduktionen aus Ländern, in denen es keine nationale Filmförderung gibt. Neben «The Monk and the Gun» ist auch «All We Imagine as Light» der indischen Regisseurin Payal Kapadia darunter, der zurzeit in den Kinos läuft und als erster indischer Film überhaupt an den Filmfestspielen in Cannes mit dem Grossen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Mit dem Wegfallen des Fonds wird die Produktion solcher Filme immer schwieriger.

Eine «unmittelbare Wirkung» haben die Ende Januar beschlossenen Sparmassnahmen auch für den Südkulturfonds: Der von der Deza finanzierte und seit 2010 vom Verein Artlink verwaltete Fonds wird auf Ende 2028 seine Arbeit einstellen müssen, da er ab dann keine Deza-Gelder mehr bekommt. Der Fonds unterstützt Produktionen und Veranstaltungen mit Künstler:innen aus Afrika, Südost- und Südwestasien, Lateinamerika und Osteuropa, indem er ihre Reise- und Aufenthaltskosten übernimmt. Die Gagen zahlen die Veranstalter:innen. Rahel Leupin, die als Artlink-Geschäftsleiterin den Fonds mitverwaltet, ist überrascht, dass die Deza die Südkulturgelder komplett streicht, und betont die Effizienz dieser kulturellen Entwicklungszusammenarbeit: Von den 850 000 Franken, die der Fonds jährlich von der Deza erhält, gehen 725 000 direkt an die Kunstschaffenden. Aus ihrer Sicht ist die Förderung eine Win-win-Situation: «Die Künstler:innen erhalten durch die Einladung nicht nur internationales Renommee: Das Honorar, das sie hier erhalten, fliesst zum Teil direkt in die lokalen Szenen der Kunstschaffenden und bewirkt somit etwas vor Ort. Kommt hinzu: Die Steuerzahler:innen profitieren von einem hochkarätigen internationalen Kulturprogramm, das nun abgeschafft wird.»

Lücken im Programm

Unter den Veranstaltenden, die regelmässig Gelder vom Südkulturfonds erhalten, ist der Berner Konzertveranstalter Bee-Flat. «Für uns sind die Deza-Sparmassnahmen mega heftig», sagt Lea Heimann, die bei Bee-Flat fürs Booking zuständig ist. «In der aktuellen Saison gäbe es ohne Südkulturfonds grosse Lücken.» Künstler:innen wie Abdullah Miniawy aus Ägypten, der Äthiopier Mulatu Astatke, die Meridian Brothers aus Kolumbien (siehe WOZ Nr. 51/24) oder Kin’Gongolo Kiniata aus dem Kongo und noch einige mehr hätten mit diesem Entscheid keine Chance mehr, hier gesehen und gehört zu werden. Heimann sieht im Entscheid die Gefahr, dass das kulturelle Feld somit noch mehr vom Mainstream dominiert wird als ohnehin schon und sich die grossen Konzertveranstalter wie Live Nation und Eventim weiter ausbreiten. Schlussendlich, so Heimann, gehe es doch um folgende Frage: «Wie divers soll die Kulturlandschaft in der Schweiz in den nächsten Jahren aussehen?» Geht es nach der offiziellen Schweiz, so scheint die Antwort leider allzu klar zu sein.