Klimakonferenz COP29: Wald und Meer spielen nicht für immer mit
Von Täuschungen und Enttäuschungen: Zahlungen an den Globalen Süden und der Handel mit CO₂-Zertifikaten reichen nicht, um die Welt zu retten.
Die Frustration war gross, als die Uno-Klimakonferenz am vergangenen Sonntagmorgen in Aserbaidschans Hauptstadt Baku ihre Pforten schloss. Vertreter:innen des Globalen Südens beschrieben das Ergebnis mit bitteren Worten: Die beschlossenen 300 Milliarden US-Dollar jährlich für die ärmsten Länder seien ein «Witz» und eine «Beleidigung», befand Nkiruka Maduekwe aus Nigeria, die ihr Land bei den Verhandlungen der 29. Vertragsstaatenkonferenz (COP29) vertreten hatte. «Wir sind nicht bereit, das zu akzeptieren», kommentierte sie das Abschlussdokument.
Eigentlich werden Entscheidungen im Rahmen des Pariser Abkommens zum Klimaschutz ja im Konsens getroffen. Doch davon konnte in Baku nicht die Rede sein. Indiens Vertreterin Chandni Raina beklagte gegenüber dem «Guardian», dass die Konferenzleitung ihrem Land kurz vor Abschluss eine ablehnende Stellungnahme verweigerte. Das verabschiedete Dokument sei daher «nicht viel mehr als eine optische Täuschung».
Ein billiger Kompromiss
Tatsächlich blieben die in der fragwürdigen Abschlusserklärung versprochenen Zahlungen weit hinter dem zurück, was Ökonom:innen für notwendig halten. 2400 Milliarden Dollar müssten in den Ländern des Globalen Südens jährlich für Anpassungsmassnahmen und für einen klimafreundlichen Um- und Ausbau der Energieversorgung ausgegeben werden. Das hatte bereits vor zwei Jahren eine internationale Expert:innengruppe berechnet, an der auch Nicholas Stern beteiligt war. Der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank wurde 2006 durch den sogenannten Stern-Report bekannt, einen umfangreichen Bericht an die britische Regierung, in dem er die enormen Kosten der Klimakrise vorrechnete.
Die Länder des Globalen Südens hatten in Baku 1300 Milliarden Dollar jährlich gefordert, einen Betrag, den SVP-Umweltminister Albert Rösti gegenüber SRF vergangene Woche als «jenseits von Gut und Böse» bezeichnete. Anders als die Vertreter:innen des Südens dürfte er also am Ende mit dem Ergebnis von Baku ganz zufrieden gewesen sein.
Bei all dem Lärm um die sogenannten Klimafinanzen ging derweil fast unter, dass in Baku gemeinsame Standards für den internationalen Kohlenstoffmarkt geschaffen wurden. Damit entsteht ein globaler, vertraglich geregelter Rahmen für den Handel mit CO₂-Zertifikaten. Mit diesen bezahlen Emittenten andere Akteure dafür, dass sie ihre Treibhausgasemissionen wieder aus der Atmosphäre holen. Die grosse Frage ist allerdings, ob der Prozess halten kann, was er verspricht: ob wirklich dauerhaft CO₂ im behaupteten Ausmass der Atmosphäre entzogen wird. Bisher jedenfalls haben diese Zertifikate, die bereits in Pilotprojekten gehandelt werden, wenig Wert – zumindest, wenn sie auf das Wachstum von Wäldern zurückgreifen, wie eine unter Beteiligung der Uni Bern entstandene und jüngst im Fachblatt «Nature» veröffentlichte Studie zeigt.
Bisher nehmen Ozeane und Biosphäre rund die Hälfte der CO₂-Emissionen auf. Viele Länder rechnen sich schon jetzt einen Teil dieser Leistung der Ökosysteme in ihren Treibhausgasbilanzen an. Das heisst, sie ziehen einen Prozentsatz der tatsächlich oder vermeintlich von Pflanzen auf ihrem Territorium aufgenommenen CO₂-Menge von ihren Emissionen ab und betrachten das Ergebnis als die Netto-CO₂-Produktion. Begründet wird das mit dem durch die höhere CO₂-Konzentration in der Atmosphäre gesteigerten Wachstum der Pflanzen.
Beschönigte Bilanzen
Problematisch wird dieser Ansatz jedoch, so die Autor:innen der Studie, wenn es um den sogenannten Netto-null-Ansatz geht, den die Pariser Klimaschutzübereinkunft 2015 festgelegt hat. In Anlehnung daran haben diverse Länder ihre Ziele definiert und versprochen, dass sie Klimaneutralität anstreben werden. Sie wollen ihre Emissionen so weit wie möglich reduzieren. Den ihrer Ansicht nach nicht vermeidbaren Rest wollen sie kompensieren, also der Atmosphäre entziehen. Die Schweiz will, wie die meisten EU-Staaten, bis 2050 netto null erreichen.
Werden die Bilanzen aber weiterhin beschönigt, indem der den Ökosystemen zugeschriebene Teil abgezogen wird, so die Autor:innen der Studie, bedeute netto null nicht, dass kein zusätzliches Treibhausgas mehr in der Atmosphäre angereichert würde. Dies sei nur dann der Fall, wenn für jede Tonne emittiertes CO₂ auch eine Tonne geologisch stabil im Erdboden eingelagert würde. Daher sei das Mindeste, dass die Bilanzen in dieser Frage transparenter würden, damit die der Biosphäre zugeschriebene Rolle eingeschätzt werden könne.
Und wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass Ozeane und Biosphäre uns auch künftig den Gefallen tun, den CO₂-Staubsauger zu spielen. Die Aufnahmefähigkeit der Meere nimmt mit der steigenden Temperatur des Oberflächenwassers ab (siehe WOZ Nr. 35/24). Aus Deutschland und Grossbritannien ist zudem belegt, dass die Wälder in Dürrejahren der Atmosphäre kein CO₂ mehr entziehen, sondern es selbst produzieren. Sie sind also alles andere als dauerhaft sichere CO₂-Speicher. «Wälder und Ozeane haben bereits Teile unserer vergangenen Emissionen aufgenommen. Wir können nicht erwarten, dass sie auch unsere zukünftigen Emissionen aufnehmen», so Studienleiter Myles Allen von der University of Oxford. Wir sollten also darauf achten, dass nicht auch Zertifikatehandel und netto null zu einer «optischen Täuschung» werden.