Durch den Monat mit Jenny Cara (Teil 3): Ist Clubbing politisch?

Nr. 8 –

«Zu Beginn meiner Karriere war ich noch radikaler», sagt DJ Jenny Cara. Ein Gespräch über Shitstorms, Awarenesskonzepte und Kapitalistenärsche.

Portraitfoto von Jenny Cara
Jenny Cara: «Es bedeutet ja auch etwas, wenn ich in dieser sehr kapitalistischen, patriarchalen und weissen Welt einen Platz einnehme.»   

WOZ: Jenny Cara, vor ein paar Jahren gab es in Zürich viel Wirbel um die rassistische Deko an einer Party – und darum, dass Sie Ihren Gig dort absagten. Was war passiert?

Jenny Cara: Der besagte Event hätte im Rahmen der Street Parade stattgefunden, und ich hatte mich sehr darauf gefreut. Als das mit der Deko, einer Schwarzen, stereotypisierten Puppe, bekannt wurde, war tags zuvor gerade ein Porträt über mich im «Tagi» erschienen. Und da es für mich wichtig ist, politisch laut zu sein, werde ich sowieso schnell mal angerufen in solchen Situationen. Ich habe zunächst beobachtet, was passiert, und stand mit Aktivist:innen in Kontakt, die auf die Organisator:innen der Party zugingen. Nachdem diese wirklich schlecht reagiert hatten, entschied ich mich dazu, den Gig abzusagen – offiziell aus persönlichen Gründen. Und dann ging natürlich der ganze Shitstorm los.

WOZ: Sie haben negative Reaktionen erhalten?

Jenny Cara: Sobald meine Absage medial verbreitet wurde, explodierte mein Handy. Ich glaube, ich spielte damals gerade eine Show; eine befreundete Person nahm mein Telefon dann zu sich und kümmerte sich um das Gröbste. Ich erhielt Anrufe, Hassnachrichten, und was in den Kommentarspalten abging, können Sie sich ja vorstellen. Mir wurde auch vorgeworfen, meinetwegen könne die Veranstaltung nicht mehr stattfinden. Als hätte ich so viel Macht!

WOZ: Haben Sie schon öfter aus politischen Gründen Auftritte abgesagt?

Jenny Cara: Ich weiss nicht, wie viel Geld ich deswegen schon verloren habe … Ich meine, ich will das ja so, aber ich glaube, ich habe mir dadurch schon auch viel verbaut.

WOZ: Wirklich?

Jenny Cara: Ja, ich denke, wenn ich nicht so politisch wäre, wäre ich mit meiner Karriere schon viel weiter. Es ging auch bei mir schnell, das ist klar. Aber ich bin überzeugt: Wäre ich ein gleichermassen talentierter weisser, netter Dude, der nicht aneckt, wäre ich weiter.

WOZ: Andere buchen Sie dafür vielleicht gerade, weil Sie sich dezidiert äussern, etwa gegen Rassismus und Sexismus.

Jenny Cara: Genau, aber wie wir ja wissen, sind halt die kapitalistischen Ärsche immer noch diejenigen, die die Welt regieren und auch mal mehr Gage zahlen können als politische Orte. «Kapitalistische Ärsche» können Sie übrigens ruhig so stehen lassen (lacht).

WOZ: Sie spielen aber auch in grossen, kommerziellen Lokalen, die mit Politik nichts am Hut haben. Anhand welcher Kriterien entscheiden Sie, wo Sie auflegen und wo nicht?

Jenny Cara: Ich finde es schwierig, das so allgemein zu sagen. Zu Beginn meiner Karriere war ich viel radikaler. Dann sprach ich mit einer Freundin, die meinte, es bedeute ja auch etwas, wenn ich in dieser sehr kapitalistischen, weissen und patriarchalen Welt einen Platz einnähme.

WOZ: Sie sprechen die Repräsentation an. Gab es hinsichtlich Antidiskriminierung positive Entwicklungen in den fünfzehn Jahren, in denen Sie im Nachtleben arbeiten?

Jenny Cara: Ich denke schon. Persönlich arbeite ich etwa mit Leuten zusammen, die selber keine Diskriminierungserfahrungen haben, die auch mal Kämpfe führen, die ich nicht mehr austragen mag. Und allgemein glaube ich, dass von Rassismus oder Sexismus Betroffene sich heute häufiger getrauen zu sagen, wenn etwas nicht gut läuft.

WOZ: In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Clubs und Konzertlokale Awarenesskonzepte zugelegt, die diese Orte safer machen und Gäste auf Diskriminierung sensibilisieren sollen. Hat das etwas gebracht?

Jenny Cara: Es gibt schon Clubs, die sich in diesem Bereich viel Mühe geben. Andere hatten wohl eher das Gefühl, sie müssen auf den Zug aufspringen. Die haben nun halt als Konzept ein Stück Papier, mehr nicht. Richtige Awareness bedeutet ja auch Arbeit, und das bedeutet Geld und Kapazitäten – das ist halt streng.

WOZ: Ist Clubbing in den letzten Jahren politisch geworden?

Jenny Cara: Ich glaube, das war es schon immer.

WOZ: Sie meinen, weil elektronische Tanzmusik ihre Ursprünge in Schwarzer und auch queerer Kultur hat?

Jenny Cara: Zum einen das. Zum anderen glaube ich auch, dass gerade Fragen bezüglich Diskriminierungen und Positionierungen einfach lange nicht als solche benannt wurden.

WOZ: Sie äussern sich nicht nur politisch, sondern engagieren sich auch in der Nachwuchsförderung, bieten etwa regelmässig DJing-Workshops und Kurse an, die sich gezielt an Frauen, inter, nonbinäre und trans Personen richten. Mit welcher Motivation?

Jenny Cara: Im Austausch mit meiner Freundin Belia Winnewisser, mit der ich einen Kurs für Flinta-Personen konzipierte, habe ich festgestellt, wie stark wir früher «ellbögelen» mussten, um als Künstlerinnen Fuss zu fassen. Es gibt so viele Dudes, die zweimal in ihrem Wohnzimmer auflegen und finden, sie können jetzt im Club spielen, während viele Flinta-Personen zuerst zwei Jahre in ihrem Wohnzimmer üben, bevor sie sich das zutrauen. Die will ich unterstützen.

Gemeinsam mit einer Freundin hat Jenny Cara (33) vor drei Jahren Studio Kali gegründet – ein Beratungsbüro für Antidiskriminierung und Gleichstellung im Nachtleben. Studio Kali erarbeitet unter anderem Konzepte für Clubs oder Konzertlokale.