Pop: Wo die Haut am weichsten ist

Mitten ins Blei pandemischer Nachmittage schoss das Trio von der Kunsthochschule Glasgow mit dem Album «Fast Edit». Still House Plants waren da und wirkten direkt, dreistimmig: Finlay Clarks bodenlose Gitarre, Jessica Hickie-Kallenbachs eindringlicher Alt und das Schlagzeug von David Kennedy, das kräht, als wäre es seit den neunziger Jahren in einem Proberaum vergessen worden. Zwischen Collage und Manifest klang es aus der miserablen Boombox auf dem Küchentisch plötzlich nach Möglichkeiten.
«If I Don’t Make It, I Love U» heisst das neue Album der Band, die mittlerweile nach London gezogen ist. Der Musikjournalismus liebt es einstimmig, will im Zusammenspiel der Musiker:innen sogar telepathische Kräfte am Werk sehen. Ob gegenseitiges rhythmisches Vertrauen gleich ins Halblicht des Okkultismus gestellt gehört? Still House Plants jedenfalls tanzen auf einem extrem schmalen Grat. Zwischen den Polen warm und kalt, leer/voll, mechanisch/organisch, malerisch/mathematisch, zwischen Zufall und Plan halten sie erfrischende Zusammenhänge parat, ihre Repetition ist nicht kalt. Die Bewegungen von Beschleunigung und Verlangsamung sind eher tastend als orchestriert. Und hie und da ein Krach, mit dem aber kein Schaden kommt. Wie Sand, der sich zwischen den Zehen ansammelt, da, wo die Haut am weichsten ist.
All das geht mit freundschaftlicher Empathie und eben ganz ohne Telepathie oder Maschinerie: eine Musik, die dem Alltag und seinen menschlichen Kontinuitäten zugewandt ist – die Seele bleibt am Küchentisch, die Band im Proberaum. Als Popmusik spricht «If I Don’t Make It, I Love U» vielleicht deshalb besonders zu denen, die sehr vermissen, nicht wissen, wie weiter, traurig sind, die sagen: Vielleicht bin ich morgen schon weg und liebe dich trotzdem, vielleicht schaffe ich alles nicht. Soul eigentlich. Gesagt wirds mit einer abstrahierenden Neufassung der Zeichensprache Rock, die Gräben zuschütten kann, wenn sie vieles offenlässt.