Auf allen Kanälen: Teamwork als Schlüssel

Nr. 34 –

Mit ihrer «Geheimplan»-Recherche löste die Plattform «Correctiv» eine Welle von Demos gegen rechts aus. Nun stehen die Macher:innen in der Kritik: Sie hätten übertrieben und unsorgfältig gearbeitet.

stilisiertes Foto eines Fenster des Landhaus Adlon, Potsdam
Landhaus Adlon, Potsdam

Der «Leuchtturm» ist die höchste Auszeichnung für journalistische Recherchen im deutschsprachigen Raum. Verliehen wird der Preis jeweils am Jahrestreffen des Vereins Netzwerk Recherche, diesmal ging er an ein Team der investigativen Medienplattform «Correctiv» für die Recherche «Geheimplan gegen Deutschland». Der Text, Anfang Jahr erschienen, rekonstruiert ein klandestines Treffen im November 2023 in einem Potsdamer Hotel. Dort versammelten sich reiche Unternehmer, Neonazikader, führende AfD-Politiker:innen sowie Mitglieder der CDU-nahen Werteunion und diskutierten Planspiele zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland. Die Recherche erzielte nicht nur ein riesiges Medienecho (auch die WOZ berichtete), sie löste auch eine Protestwelle in ganz Deutschland aus. Millionen von Menschen gingen auf die Strasse, um gegen den fortschreitenden Rechtsruck und insbesondere die AfD zu demonstrieren.

Die Auszeichnung für die «Correctiv»-Recherche war unbestritten. Bei der Verleihung des «Leuchtturms» Mitte Juli in Hamburg wurde das Rechercheteam frenetisch gefeiert, inklusive einer Laudatio von Özge İnan, zurzeit Online-Kolumnistin der WOZ. Doch auf den Höhepunkt folgte der Kater. Wenige Tage später kritisierte das unabhängige Onlineportal «Übermedien», seinerseits eine Instanz für Medienkritik in Deutschland, die «Geheimplan»-Geschichte in einem vielbeachteten Beitrag: Die Recherche sei «journalistisch schwach», weil sie unterstelle, statt zu belegen, raune, statt zu erklären, interpretiere, statt zu dokumentieren. Es sind happige Vorwürfe, zumal bis zu diesem Zeitpunkt nur rechte bis rechtsextreme Publikationen versucht hatten, die Glaubwürdigkeit von «Correctiv» infrage zu stellen.

True-Crime-Atmosphäre

Selbstverständlich muss die «Geheimplan»-Recherche, unabhängig von ihrer überwältigenden Wirkung, auch kritisch betrachtet werden. Doch der Hauptvorwurf, wonach die Geschichte aufgeblasen und nicht sauber hergeleitet sei, fällt letztlich auf «Übermedien» zurück. Denn die Kritik zielt vor allem auf Form und Storytelling der preisgekrönten Geschichte – in der Substanz bleibt von den Vorwürfen wenig übrig. Formal ist die «Correctiv»-Recherche als Drama angelegt: Es gibt einen Prolog und einen Epilog, die vorkommenden Personen werden vorgestellt, gefolgt von insgesamt drei Akten mit jeweils mehreren Szenen. Unterlegt ist der Text zudem mit heimlich aufgenommenen Fotos, die eine True-Crime-Atmosphäre ausstrahlen. Und es gibt eine Passage im Text, die hochgradig suggestiv ist: «Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten», heisst es etwa in diesem – letztlich unnötigen – Abschnitt.

Die Handschrift des Künstlers

Dieser Überbau trägt unverkennbar die Handschrift von «Correctiv»-Reporter Jean Peters, der ursprünglich aus der Aktionskunst kommt. Peters war lange Jahre beim Kunstkollektiv Peng! tätig, das einmal eine PR-Veranstaltung des Ölkonzerns Shell mit einer echten Ölfontäne crashte. Doch als er vor drei Jahren ein Buch über sich und seine Arbeit mit Peng! veröffentlichte, kam es zum Zerwürfnis. Dass sich Peters selbst so in den Mittelpunkt stellte, passte überhaupt nicht ins kollektive und anonyme Vorgehen der Gruppe.

Wie gerne Jean Peters im Mittelpunkt steht, zeigte sich auch bei der «Leuchtturm»-Verleihung in Hamburg. Er genoss es sichtlich, auf der Bühne zu stehen und die Hintergründe der Recherche als glattes Abenteuer zu erzählen. Aber Peters war dort nicht alleine, seine «Correctiv»-Kolleg:innen Justus von Daniels und Anette Dowideit waren auch dabei und sorgten mit Ernsthaftigkeit und viel Hintergrund für den nötigen Kontrast zu seinem extravaganten Auftreten. So machten sie beispielsweise auch deutlich, wie beharrlich und hartnäckig die gemeinnützige Rechercheplattform schon seit Jahren zur AfD recherchiert – und wie seriös die Quellen jeweils geprüft und gegengecheckt, aber auch geschützt wurden. Selbst wenn sie die Inszenierung ihrer Arbeit im Teamwork mit Peters diesmal maximal weit ausreizten: Der Substanz ihrer Recherchen tat dies keinen Abbruch.