Durch den Monat mit Denis de la Reussille (Teil 1): Gönnt Ihnen Ihre Partei keine Lohnerhöhung?

Nr. 14 –

Der Kommunist Denis de la Reussille ist Stadtpräsident von Le Locle im Neuenburger Jura. Seine eigene Partei, die Partei der Arbeit, kämpfte mit einem Referendum gegen die Lohnerhöhung für ihren Genossen und seine Regierungskollegen.

Denis de la Reussille: «In Spanien hat Podemos übrigens auch die Löhne ihrer Exekutivmitglieder gesenkt. Es geht um grundlegende politische Prinzipien.»

WOZ: Monsieur de la Reussille, Sie sitzen seit Herbst für die PdA, die Partei der Arbeit, im Nationalrat und sind seit sechzehn Jahren Stadtpräsident von Le Locle. Die Bevölkerung hat dort am Wochenende über die Gehaltserhöhung für Sie und die anderen Mitglieder der Stadtregierung abgestimmt und diese abgelehnt. Sind Sie enttäuscht?
Denis de la Reussille: Nein, überhaupt nicht. Mein Lohn hat mir in den letzten sechzehn Jahren ein gutes Leben ermöglicht. Das wird auch weiterhin so sein.

Während in Baden oder Biel die Senkung der Löhne der Gemeindepräsidenten gefordert wird, wollte das Parlament von Le Locle den Lohn der Stadtregierungsmitglieder erhöhen. Ist das nicht aussergewöhnlich in Zeiten, in denen alle den Gürtel enger schnallen?
Absicht des Stadtparlaments war es, unser Pensum von fünfzig auf achtzig Prozent zu erhöhen, damit wir mit Kantonsbehörden und Vertretern anderer Städte auf Augenhöhe verhandeln können. Die Lohnerhöhung wäre damit einhergegangen.

Ihre eigene Partei hat dagegen das Referendum ergriffen …
Es war die Basis der PdA, die das Referendum ergriffen hat. Die Lohnerhöhung war Teil eines umfassenderen Pakets, das von einer Parlamentskommission erarbeitet worden war. In diesem Rahmen wurde zum einen beschlossen, dass die Mitglieder der Exekutive zukünftig im Turnus für je ein Jahr die Präsidentschaft übernehmen sollen. Zum anderen sah das Paket neben der Erhöhung des Arbeitspensums auch eine Lohnerhöhung vor. Gegen die letzten beiden Punkte hat die PdA das Referendum ergriffen. Die nötigen 1200 Unterschriften waren schnell beisammen.

Ist Ihre Partei mit Ihrer Arbeit nicht zufrieden?
Das will ich nicht hoffen. Ausschlaggebend war vielmehr das Ausmass der Lohnerhöhung. Für unsere fünfzig Prozent verdienen die Gemeinderäte von Le Locle gut 95 000 Franken pro Jahr – auch ich als Stadtpräsident. Neu sollten die Gemeinderäte für ein Pensum von achtzig Prozent 155 000 Franken erhalten. Unsere Parteibasis hielt das für übertrieben. Ich sehe das ähnlich, gerade wenn man bedenkt, dass viele Leute hier in der Region mit Löhnen zwischen 4000 und 5000 Franken pro Monat zurechtkommen müssen. In Spanien hat Podemos übrigens auch die Löhne ihrer Exekutivmitglieder gesenkt. Es geht um grundlegende politische Prinzipien.

Zudem stellt sich auch die Frage, ob ein erhöhtes Pensum wirklich nötig ist. Vor fünfzehn Jahren befand sich Le Locle in einer prekären Lage, mittlerweile sind unsere Finanzen saniert. Das haben wir mit einem Fünfzigprozentpensum geschafft.

Arbeiten Sie wirklich nur halbtags als Stadtpräsident?
Nein, wir alle im Gemeinderat arbeiten natürlich mehr als das. Aber es geht auch um ein anderes Verständnis von Politik. Die PdA vertritt die Haltung, dass man zwar korrekt bezahlt werden, aber nicht des Geldes wegen in die Politik gehen sollte. Das Amt eines Stadtpräsidenten ist auch eine Form des zivilen Engagements. Da kann man nicht erwarten, für jede geleistete Arbeitsstunde bezahlt zu werden. Aber es ist auch eine Frage des Lebensstils.

Wie meinen Sie das?
Zwei meiner Kollegen im Gemeinderat verdienen sich etwas hinzu und unterrichten noch nebenher, einer betreibt eine kleine Informatikbude, ein weiterer arbeitet ausschliesslich als Gemeinderat. Ich kümmere mich neben meinem Amt um die Hausarbeit.

Und wie kommen Sie zurecht mit dem Vereinbaren von Beruf und Familie?
Mit meinen fünfzig Prozent hätte ich eigentlich Montag und Dienstag jeweils freimachen können. Ich kam jedoch jeweils trotzdem zur Arbeit, bin dafür um 11 Uhr bereits wieder nach Hause gegangen, um für meine Familie zu kochen. Das war überhaupt kein Problem der Bevölkerung gegenüber. Wenn ich allerdings zu hundert Prozent angestellt wäre und wie meine Kollegen in Neuenburg an die 180 000 Franken verdienen würde, käme ich unter Rechtfertigungszwang. Die Teilzeitanstellung hat mir dieses Arrangement erlaubt und mich auch erfüllt.

War das eingangs erwähnte Paket nicht auch ein Angriff auf die PdA? Es gibt Gerüchte, dass die SP die PdA schwächen will, weil sie davon ausgeht, dass Sie neben Ihrem Nationalratsmandat unmöglich ein Pensum von achtzig Prozent erfüllen können.
Diese Vermutungen habe ich auch gehört. Aber ich glaube das nicht. Es stimmt, dass mir meine Familie sehr wichtig ist. Deshalb habe ich vor vier Jahren darauf verzichtet, für die Kantonsregierung zu kandidieren, obwohl ich gute Chancen gehabt hätte. Meine Söhne sind inzwischen dreizehn und sechzehn Jahre alt und selbstständig. Die ersten beiden Sessionen im Nationalrat haben mir gezeigt, dass das Doppelmandat machbar ist. Ich habe eine Assistentin für meine Arbeit im Nationalrat angestellt, und meine Frau wird ihr Pensum an der Schule etwas reduzieren. So kriegen wir das gut hin.

Le Locle wird seit über hundert Jahren von der Linken regiert und ist neben Renens VD die einzige Stadt in der Schweiz, in der die PdA die stärkste Kraft ist. In zwei Monaten wird Denis de la Reussille (56) aufgrund der vom Parlament verabschiedeten Turnusregelung nach sechzehn Jahren sein Amt als Stadtpräsident abgeben müssen. Er wird jedoch erneut für ein Amt in der Stadtregierung kandidieren.