Durch den Monat mit Denis de la Reussille (Teil 3): «Wäre es Ihnen lieber, das Spital in Neuenburg würde geschlossen?»

Nr. 16 –

Die Neuenburger Kantonsregierung will das Spital in La Chaux-de-Fonds schliessen – gegen den Willen der Bevölkerung. Denis de la Reussille engagiert sich als Stadtpräsident von Le Locle auch für den Erhalt des Spitals in seiner Nachbarstadt.

Denis de la Reussille: «Es geht nicht, dass sich alles in Neuenburg konzentriert. Dagegen kämpfen wir. Doch die Direktion des Kantonsspitals hat einen starken Zentralisierungswillen.»

WOZ: Monsieur de la Reussille, vor kurzem sprachen Sie in La Chaux-de-Fonds vor 5000 Menschen an einer Demo gegen die Schliessung des dortigen Spitals. Was hat so viele Leute auf die Strasse getrieben?
Denis de la Reussille: Lassen Sie mich etwas ausholen. Bis vor zehn Jahren gab es auch in Le Locle ein Spital mit eigener Chirurgie und Wochenbett. Dann wurde es zu einer reinen Rehabilitationsstation umfunktioniert. Wir gaben damals unser Einverständnis, weil der Staatsrat, also die Kantonsregierung, versprach, dass das Spital in La Chaux-de-Fonds samt Chirurgie und Wochenbett erhalten bleibe. Dann wurde das Wochenbett in La Chaux-de-Fonds dennoch geschlossen, und nun soll auch die Chirurgie nach Neuenburg verlagert werden. Die Kantonsregierung möchte die gesamte Notfallversorgung in der Stadt Neuenburg zentralisieren, wie sie letzten Freitag bekannt gab.

Hat sich nicht die Neuenburger Kantonsbevölkerung vor zwei Jahren explizit für die Erhaltung der beiden Standorte ausgesprochen?
Das ist ja der Skandal. Sechzig Prozent der Stimmenden waren dafür. Dann legte die Kantonsregierung ein Jahr später die Renovation des Spitals in La Chaux-de-Fonds auf Eis. Stattdessen will sie es nun auch in ein reines Reha-Zentrum umwandeln, wie schon hier in Le Locle. Das ist eine Missachtung des Volkswillens.

Wäre es Ihnen denn lieber, das Spital in Neuenburg würde geschlossen?
Mir geht es nicht darum, dass die einzige Maternité des Kantons um jeden Preis in La Chaux-de-Fonds stehen soll. Je eine Maternité an beiden Orten wäre mir lieber. Aber es geht nicht, dass sich alles in Neuenburg konzentriert. Dagegen kämpfen wir. Doch die Direktion des Kantonsspitals hat einen starken Zentralisierungswillen und kennt unsere Region schlecht.

Woran zeigt sich das?
Gut 250 Frauen aus unserer Region gebaren letztes Jahr beispielsweise nicht in Neuenburg, sondern im fünfzig Kilometer entfernten Saint-Imier im Berner Jura. Und nun muss der Kanton Neuenburg dem Kanton Bern Geld für die Hospitalisierung der Frauen zahlen. Dabei werden doch immer ökonomische Argumente für eine Zentralisierung ins Feld geführt.

Der Neuenburger Staatsrat sagte, dass weder genügend Geld noch genügend Personal und Patienten für zwei Spitalstandorte im Kanton vorhanden seien.
Damit bin ich nicht einverstanden. Zentralisierung bedeutet ja nicht unbedingt geringere Kosten. Im Berner Jura kommen auf knapp 70 000 Einwohner zwei Spitäler: In Moutier und Saint-Imier gibt es neben der Maternité auch eine Chirurgie und eine Notfallstation. Beide Spitäler stehen finanziell auf solidem Fundament und haben genügend Personal. Wenn das im Berner Jura möglich ist, dann muss es das auch hier in den Montagnes neuchâtelois sein. La Chaux-de-Fonds, La Brévine und Le Locle haben zusammen gut 70 000 Einwohner. Das sind genügend für ein Spital mit Chirurgie. Es fehlt schlicht der politische Wille, die Spitalversorgung in den Bergen aufrechtzuerhalten.

Was würde eine Schliessung des Spitals für die Arbeitsplätze in der Region bedeuten?
Das Spital in La Chaux-de-Fonds ist der grösste Arbeitgeber der Stadt. Die Schliessung hätte starke wirtschaftliche Folgen in einer Region, in der die Arbeitslosigkeit sowieso schon überdurchschnittlich hoch ist. Ein Reha-Zentrum wird nicht annähernd so viele Arbeitsplätze bieten. Und man muss auch an die Zukunft denken: Ein Spital ist ja immer auch ein Ausbildungsort. Wenn die zukünftigen Ärzte ihre Assistenzen nicht mehr hier in der Region machen können, wird es auch immer weniger Hausarztpraxen geben. Das ist ein soziales Risiko.

In Neuenburg gibt es einen historischen Konflikt zwischen der Küstenregion und den Bergen. Ist der Disput um das Spital La Chaux-de-Fonds ein weiteres Kapitel in diesem Konflikt?
Das kann man so sehen. Die Region am See entwickelt sich stärker, und jene in den Bergen, zu der neben Le Locle und La Chaux-de-Fonds auch das Val de Travers gehört, ist ökonomisch schwächer. Das ist seit langem bekannt, und doch wird der Abstand immer grösser. Der Kanton investiert seit Jahrzehnten viel mehr in die Region am See. Es gibt Studien der Uni Neuenburg, die das belegen. Das manifestiert sich nicht nur beim Streit um das Spital.

Wo denn noch?
Vor fünf Jahren wurde beispielsweise die Ingenieursschule von Le Locle nach Neuenburg verlegt. Der Kanton argumentierte, dass Le Locle zu wenig zentral liege und dass die Studentinnen und Studenten sich eher in Biel einschreiben würden. Das war ein grosser Verlust für unsere Stadt und die Region. Im Gegenzug wurde uns versprochen, dass die Maternité in Neuenburg geschlossen und in La Chaux-de-Fonds zentralisiert werde. Und nun soll das ganze Spital geschlossen werden?

Es gibt hier in den Montagnes neuchâtelois ein starkes Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Der Staatsrat behauptet zwar immer, er sei um einen geeinten Kanton bemüht. Aber dann muss er auch dafür sorgen, dass auf dem gesamten Gebiet eine gleichmässige und gerechte Entwicklung stattfindet.

Denis de la Reussille (55) ist in La Chaux-de-Fonds aufgewachsen und ist heute Stadtpräsident von Le Locle. Die Beziehung zwischen den beiden Schwesterstädten bezeichnet er als sehr freundschaftlich. Von einer Gemeindefusion, wie sie immer wieder mal angedacht wird, hält er jedoch wenig.