Kampfjets: Zeit für eine neue Friedenspolitik

Nr. 40 –

Den Kauf neuer Kampfjets konnten die linken GegnerInnen ganz knapp nicht verhindern. Doch das überraschend gute Resultat muss kein Achtungserfolg bleiben, denn der linke Abrüstungsblock ist kampflustig.

«Das Resultat ist Ausdruck einer grundsätzlichen Krise der Armee»: GSoA-Kampagnenleiter Lewin Lempert (am Mikrofon) am Abstimmungssonntag in Bern. Foto: Anthony Anex, Keystone

«Das Ja-Lager hat die Abstimmung über den Kauf neuer Kampfjets zur Schicksalsfrage für die gesamte Armee hochstilisiert. Und genau so interpretiere auch ich das äusserst knappe Resultat», sagt Lewin Lempert, der die Nein-Kampagne der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) zusammen mit Judith Schmid und Laura Riget geleitet hat. «Das Resultat ist Ausdruck einer grundsätzlichen Krise der Armee.» Die Hälfte der Stimmenden glaube offensichtlich nicht, dass die Armee eine glaubwürdige Antwort auf relevante Risiken und Bedrohungen habe.

«Weite Teile der Schweizer Bevölkerung wünschen sich eine andere Sicherheitspolitik», so Lempert. Das habe sich in den letzten Jahren mehrmals gezeigt: «Die Gripen-Beschaffung wurde abgeschossen und die EU-Waffenrichtlinie angenommen. Zudem hat das Parlament auf zivilgesellschaftlichen Druck hin die Verschärfung des Zivildiensts abgelehnt, und der Bundesrat hat seinen Entscheid, Waffenexporte auch in Bürgerkriegsländer zuzulassen, rückgängig machen müssen.»

«Endlich ernst genommen werden»

Die grüne Nationalrätin Marionna Schlatter führte die Nein-Kampagne ihrer Partei. Sie erhofft sich, dass nach dieser Abstimmung linke Positionen in der Sicherheitspolitik endlich ernst genommen werden: «Wir und die SP versuchen schon lange, eine sicherheitspolitische Debatte zu führen, bei der nicht nur die Armee und die Aufrüstung im Zentrum sind», doch das sei im bürgerlich dominierten Parlament bisher kaum möglich gewesen.

«Seit knapp einem Jahr sitze ich in der Sicherheitspolitischen Kommission, und die bürgerliche Seite winkt schlichtweg alles durch», sagt Schlatter. Etwa bei der Armeebotschaft, die eine beträchtliche Budgeterhöhung vorsah: «In der Kommission kam nicht ein einziger Antrag von der bürgerlichen Seite. Das Verteidigungsdepartement VBS und die Armee haben einen Blankocheck.» Das ändere sich nun hoffentlich. Schliesslich unterstütze die Hälfte der Stimmbevölkerung eine so einseitige und unhinterfragte Sicherheitspolitik nicht.

GSoA prüft Volksinitiativen

Priska Seiler Graf, die führende Stimme der SP im Abstimmungskampf, hält den Zeitpunkt für günstig, um aufeinander zuzugehen und endlich eine Diskussion über kollektive Sicherheit zu führen: «Sicherheit ist mehr als nur Kampfflugzeuge und Panzer. Es braucht zivile wie auch militärische Friedensförderung und eine intensive Entwicklungszusammenarbeit. Aber es gehört auch dazu, dass man kein Kriegsmaterial in Konfliktregionen liefert und sich nicht an Kriegsgeschäften bereichert», sagt Seiler Graf.

Unisono sagen die angefragten VertreterInnen von GSoA, Grünen und SP, dass sie den nun anlaufenden Evaluationsprozess zum Kampfjettyp-Entscheid und die anschliessende Beschaffung genau verfolgen werden. «Ich erwarte, dass Verteidigungsministerin Viola Amherd und das VBS auch eine günstigere Variante ernsthaft prüfen», sagt Marionna Schlatter. Und Priska Seiler Graf kündigt politischen Widerstand gegen den Kauf möglicher US-Jets an; diverse Medienberichte hätten aufgezeigt, dass die Abhängigkeit von den USA schlicht zu gross wäre. Mit diesen Positionen dürften die beiden linken Parteien nicht alleine dastehen.

Die GSoA ist bereits einen Schritt weiter. Sie hat angekündigt, eine Volksinitiative gegen den konkreten Kampfjettyp zu prüfen. «Wir schauen in den kommenden Monaten aber auch weitere Optionen an», sagt Lewin Lempert.

«Es ist Zeit für eine neue Friedenspolitik», twitterte der SP-Nationalrat und -Aussenpolitiker Fabian Molina am Sonntag und führt gegenüber der WOZ aus: «Die Schweiz muss beispielsweise endlich den Uno-Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, und ich möchte, dass der Antimilitarismus zentraler Bestandteil der Sicherheitsdebatte wird.» Das heisse, die Abrüstung und den Frieden zu fördern und gleichzeitig Rüstungsexporte einzuschränken. Molina geht es aber auch um einen mentalen Wandel: «Die Armee war und ist immer noch ein gesellschaftlich prägender Erziehungsort, der zutiefst hierarchisch und patriarchal ist. Davon müssen wir uns lösen.»

«Kein Wachstum des Militärbudgets»

Voller Tatendrang ist auch Jo Lang, GSoA-Vorstand und friedenspolitischer Vordenker. «Am Sonntag fand ein Erdbeben statt. Und es ist unsere Aufgabe, die tiefe Krise der Armee für zivile Alternativen im Innern und friedenspolitische Vorschläge in der Aussenpolitik zu nutzen», sagt Lang. Es gehe jedenfalls nicht an, dass sich die Linke auf einen «Dialog» einlasse, während die vom Parlament geplante Aufrüstung weitergehe. «Die minimalste Vorbedingung ist die Zurücknahme des beschlossenen Wachstums des Militärbudgets», sagt Lang.

Ende November wird sich zeigen, ob der linke Abrüstungsblock weiter Auftrieb erhält: Eine Annahme der Volksinitiative «für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» wäre ein deutliches Zeichen dafür, dass die jahrzehntelang dominante bürgerliche Aufrüstungsideologie nicht mehr mehrheitsfähig ist.