Kino-Film «Volevo nascondermi»: Der geniale Clochard

Nr. 17 –

Antonio Ligabue (1899–1965) wird als Sohn eines italienischen Hausmädchens in Zürich geboren und wächst bei einer Pflegefamilie in der Ostschweiz auf. Von einer schwierigen Kindheit sowie geistiger und körperlicher Beeinträchtigung schwer gezeichnet, wird der verhaltensauffällige junge Mann mit zwanzig Jahren nach Italien ausgeschafft, wo er niemanden kennt und auch der Sprache nicht mächtig ist. Ausgegrenzt, mittellos und von abschreckender Erscheinung, haust er jahrelang alleine in einer Hütte im Wald am Ufer des Po. Gestalterisch hochbegabt, beginnt er, Skulpturen und Malereien zu schaffen, die die italienische Kunstwelt auf ihn aufmerksam werden lassen. Trotz einer Einzelausstellung in Rom, die ihn international bekannt macht, bleibt er bis zu seinem Tod aber eine einsame, getriebene und unglückliche Figur.

Giorgio Diritti, der jetzt das Leben von Ligabue verfilmt hat, erfindet das Genre des Biopic nicht unbedingt neu. Trotzdem ist ihm mit «Volevo nascondermi» ein extrem bildstarkes und phänomenal gespieltes Künstler- und Aussenseiterporträt gelungen. Wie sich Elio Germano, der an der Berlinale als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde, ungekünstelt nicht nur Ligabues äussere Erscheinung aneignet, sondern mit seinem stets verkrampften und zur Erde hin gekrümmten Körper durch die organisch wirkenden Einstellungen streicht, ist aussergewöhnlich und berührend.

Anders als andere Künstlerporträts arbeitet sich der Film weniger an den Höhepunkten von Ligabues Leben ab, sondern folgt einer impressionistischen Logik. Unmittelbare Naturerfahrungen, Begegnungen mit Tieren, die auch Hauptmotiv von Ligabues Kunst sind, oder aber Fahrten mit seinem roten Motorrad durch die Emilia-Romagna nehmen genauso viel Raum ein wie die stets zwiespältigen Kontakte Ligabues mit Menschen, die den Kauz seine Fremdheit immerzu spüren lassen.

Auch in seiner ursprünglichen Heimat ist Ligabue noch kaum bekannt – 2019 wurden seine Werke erstmals in der Schweiz ausgestellt. Ein Übersehen, das «Volevo nascondermi» beheben dürfte.

Volevo nascondermi. Regie: Giorgio Diritti. Italien 2020