Durch den Monat mit Agatha Wirth (Teil 2): Wie läuft der Wahlkampf?
WOZ: Frau Wirth, Sie kandidieren für den Basler Regierungsrat. Was hält Ihr siebzehnjähriger Sohn davon?
Agatha Wirth: (lacht) Der findet es absolut peinlich. Also erwähnen Sie bitte meinen Sohn nicht! Er hasst es, wenn die Zeitungen über ihn schreiben.
Gut, das respektieren wir. Was hat sich in der vergangenen Woche im Wahlkampf getan?
Ziemlich Interessantes: Seit die FDP-Kandidatin Saskia Frei gegenüber den Medien verlauten liess, sie wolle als Sicherheitsdirektorin eine harte Linie fahren, ist sie plötzlich zum Opfer geworden.
Das müssen Sie erklären.
Frei sagte gegenüber der «Basler Zeitung», sie wolle die Sozialausgaben einschränken: Wer mehr als fünf Jahre Sozialhilfe beziehe, solle nur noch ein Dach über dem Kopf, Essen und die nötigste medizinische Hilfe erhalten. Das löste natürlich Proteste aus. Worauf es in einer Talksendung im Lokalfernsehen hiess, Frei sei vom Journalisten zu dieser Antwort provoziert worden. Diese Frau ist Anwältin und sass im Grossen Rat, sie weiss doch, wie das läuft mit den Medien.
Sie kandidieren für die Liste 13 gegen Armut und Ausgrenzung – eigentlich keine Liste, da Sie alleine gegen Frei antreten. Wer steht hinter der Armutsliste?
Ursprünglich waren wir zu zweit. Neben mir hat noch Thomas Erlemann kandidiert. Eine Zweierkandidatur macht aber wahlarithmetisch keinen Sinn, da wir uns gegenseitig die Stimmen wegnehmen würden. So beschlossen wir, dass nur ich kandidiere. So kann niemand sagen, ein Mann trete gegen eine Frau an.
Und wer steht hinter der Armutsliste?
Die Armutsliste ist aus der Basler Armutskonferenz entstanden, in der sich Betroffene engagieren und ihre Forderungen formulieren. Es wurde aber bald klar, dass sich die Armutskonferenz politisch direkt einmischen muss, wenn sie sich Gehör verschaffen will – deshalb wurde die Liste 13 gegründet, die sich im Herbst 2004 an den Nationalratswahlen beteiligte.
Muss man arm sein, um da mitmachen zu können?
(lacht) Nein, grundsätzlich können sich bei uns alle engagieren, die sich mit unseren Zielen identifizieren. Aber die meisten, die bei uns aktiv sind, kennen Armut, sind arbeitslos, sind auf Sozialhilfe angewiesen oder brauchen Ergänzungsleistungen, weil ihre AHV oder IV nicht reicht.
Seit wann sind Sie dabei?
Erst seit letztem Sommer.
Und schon Regierungsratskandidatin – das nennt man eine Blitzkarriere. Wie sind Sie denn zur Armutsliste gekommen?
Ich ging mit einer Freundin an eine Veranstaltung, an der die Zürcher Stadträtin Monika Stocker ihr 1000-Franken-Job-Projekt vorstellte. Mir schien grauenhaft, was sie erzählt. Wer arbeitslos ist, braucht eine richtige Arbeit, keinen 1000-Franken-Job. Wir stellten dann ein paar kritische Fragen. An der Veranstaltung waren auch einige Leute der Armutsliste, und so kamen wir in Kontakt.
Laut elektronischem Telefonbuch bieten Sie «Bachblüten, Ohr-Akupunktur und Schröpfen» an.
Steht das immer noch drin? Das sollte schon längst gelöscht sein.
Betrieben Sie eine Naturheilpraxis?
Nein, nie. Ursprünglich lernte ich Pharmaassistentin. Ich machte meine Lehre bei einem grandiosen Apotheker, der sich Zeit nahm, die Leute zu beraten und spezielle pflanzliche Heilmittel zusammenzustellen. Ich merkte schnell, dass das in anderen Apotheken nicht gefragt ist. Man hat mir die eingehende Beratung verboten, deshalb habe ich den Job aufgegeben. Später liess ich mich zur Naturheilpraktikerin ausbilden und wollte eine Praxis eröffnen. Aber das ist unmöglich.
Warum?
Es ist unglaublich zeitaufwendig und teuer, die Auflagen der Behörden zu erfüllen. Die Schulmedizin duldet keine Konkurrenz. Dabei gibt es nichts Günstigeres als Naturheiltherapien.
Inzwischen haben Sie noch ein Fachhochschulstudium als Ökonomin abgeschlossen. Ihre Karriere wirkt ein bisschen unstet.
Ganz freiwillig geschah das nicht. Je älter ich wurde, desto weniger wurde mir in der Arbeit zugetraut. Ich begriff, dass ich eine Ausbildung machen musste, die in der Berufswelt wirklich anerkannt wird. Deshalb entschied ich mich, Ökonomie zu studieren.
Agatha Wirth (43) ist Betriebsökonomin, Naturheilärztin, Pharmaassistentin und alleinerziehende Mutter. Sie kandidiert für die Armutsliste für den Regierungsrat von Basel-Stadt.