Bio-Eierhandel: «Wir haben bewiesen: Wir können es!»

Nr. 14 –

Die Vogelgrippe droht die Freilandhaltung zunichte zu machen. Der Schweizer Bio-Eier-Magnat Alfred Reinhard findet, man sollte das Freilandverbot aufheben.

Der Mann hat das Zeug zum Unternehmer des Jahres, auch wenn er nicht so aussieht. Er ist der Typ Bauer, mit Vollbart, ohne Krawatte und mit schlichtem Auto. Alfred Reinhard war bis vor neun Jahren Bauer. Dann hat er eine Eierhandelsfirma gegründet, die seither beharrlich wächst. Heute ist er der Bio-Eier-Magnat der Schweiz und beschäftigt über dreissig Personen. Niemand hat in Rüti ZH in den letzten Jahren so viele Arbeitsplätze geschaffen wie er mit seiner Hosberg AG. 65 Prozent aller Bio-Eier, die in diesem Land gekauft werden, sind durch die Hosberg gegangen. Jedes Bio-Ei im Coop, in der Migros oder im Manor wurde in der Hosberg verpackt.

Der vertikal integrierte Betrieb

Es regnet, als ob der Himmel Rüti ersäufen möchte. Würden die Wolken nicht so tief hängen, sähe man hinter dem Holzbau der Hosberg AG die Forch, vielleicht auch den Hoch-Ybrig und die Innerschweizer Alpen.

Drinnen stapeln sich Eier, es riecht nach Eiern. Hunderttausend rollen täglich über die Fliessbänder. Lastwagen bringen sie aus der ganzen Schweiz in grünen und roten Plastikharrassen. In den grünen sind die Eier, die in den Verkauf gehen, in den roten die Bruteier, aus denen später Legehennen werden. Jede Kiste ist mit einem Strichcode und einem Namen versehen. «Schröter, Schwarzenburg» steht da zum Beispiel. Einmalig sei das, sagt Reinhard, jedes Ei lasse sich, wenn man es beim Grossverteiler kaufe, hundertprozentig rückverfolgen. Man weiss, wann und wo es gelegt wurde.

Saugnäpfe heben die braunen und weissen Eier aufs Förderband. Sie werden bedruckt, gewogen, sortiert. Dazwischen steht der «Crack Detective», ein sonderbares Gerät mit kleinen Hämmerchen, die zart auf die vorbeiziehenden Eier trommeln. Auf dem Computerschirm erscheinen ab und zu kleine Kreuzchen. «Das sind die beschädigten Eier, die werden aussortiert», sagt Reinhard.

Am Ende der Fliessbänder nehmen Saugnäpfe die Eier auf und legen sie in Sechserschachteln von Coop Naturaplan. Später kommen Demeter- oder Kagfreiland- oder Aldi-Eier. Der Computer weiss es, ohne Computer wäre das alles nicht möglich. Manor möchte zum Beispiel seine KundInnen mit Eiern ihrer Region versorgen. Also bekommen die WestschweizerInnen Eier, die in der Westschweiz gelegt wurden, und die OstschweizerInnen die aus der Ostschweiz - obwohl die Eier alle eine Reise nach Rüti hinter sich haben. Reinhard sagt, er wisse nicht, ob dies wirklich Sinn ergebe. Aber die KundInnen wünschen regionale Eier. So wie auch Aldi-KundInnen Bio-Eier kaufen möchten. «Wir haben uns überlegt, ob wir Aldi überhaupt beliefern sollen. Wir haben uns dafür entschieden. Es ist besser, wenn Aldi unsere Eier verkauft und nicht Bio-Eier aus Deutschland importiert. Die Bio-Auflagen sind bei uns strenger als in Deutschland. Übrigens verdienen wir besser mit Aldi als mit den anderen Grossverteilern, weil Aldi eine viel kleinere Verkaufsmarge hat.»

Etwa hundert Biobauern sind bei der Hosberg unter Vertrag. Die einen haben fünfhundert Hühner, andere bis zu zweitausend - mehr ist im Biobereich nicht erlaubt. Fünf weitere Betriebe halten im Auftrag der Hosberg Elterntiere oder ziehen künftige Legehennen auf. Hosberg ist, was man einen vertikal integrierten Betrieb nennt - wie andere Eiergrosshändler auch. Sie liefern den Vertragsbauern Küken und nehmen ihnen die Eier wieder ab. Mit dem Unterschied, dass die anderen importierte Batterie-Eier neben Bio-Eiern im Angebot haben. Bei Hosberg gibt es nur Bio. Dank diesem zentralisierten System war der Bio-Eier-Boom in der Schweiz erst möglich.

WOZ: Herr Reinhard, spüren Sie die Vogelgrippe beim Absatz?

Alfred Reinhard: Nein, bis jetzt überhaupt nicht. Im Gegenteil - die Konsumenten kaufen eher mehr Bio-Eier, sie vertrauen offenbar dem Bio-Label.

Und das Freilandverbot? Sind Sie dafür oder dagegen?

Die Stallpflicht war - in Bezug auf die Sicherheit der Tiere - in Ordnung.

Warum?

Wir haben jetzt zweimal bewiesen, dass wir es können. Wir sind in der Lage, die Tiere drinnen zu halten, wenn es nötig ist. Aber jetzt müssen andere Lösungen her. Es kann nicht sein, dass wir die Tiere nur noch wenige Wochen im Jahr draussen halten können. Klar, sie können in den Wintergarten, aber das reicht langfristig nicht.

Was für andere Lösungen?

Das weiss ich auch noch nicht im Detail. Alle, die sich mit Vogelgrippe beschäftigen, müssen nun einfach gemeinsam eine Lösung finden. Zum Beispiel könnte man besondere Gefahrenzonen aussondern. In Deutschland nutzt man die Vogelgrippe, um die Freilandhaltung zu diskreditieren - weil sie ein Risiko darstelle. In der Schweiz hat man früher auch immer wieder versucht, die Freilandhaltung als unhygienisch darzustellen. Dabei sind Tiere, die ins Freie können, viel gesünder. Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel in der Schweiz mehrere Salmonellenfälle - aber kein einziger betraf einen Biobetrieb.

Die Konsumentenschützer machen hierzulande Druck. Sie wollen nicht mehr lange dulden, dass Freilandeier als Freiland verkauft werden, obwohl die Tiere eingesperrt sind.

Wir vermarkten Bio-Eier. Für uns ist dies nicht ein so grosses Problem, denn die Konsumenten haben immer noch einen Mehrwert, weil die Tiere biologisch gefüttert werden. Auch die Besatzdichte ist kleiner, das heisst, die Tiere haben mehr Platz. Für die konventionellen Betriebe, die nur Freiland haben, wird es eng. Wenn diese ihre Tiere nicht mehr rauslassen können, unterscheiden sie sich kaum mehr von konventionellen Bodenhaltungsbetrieben.

Eine gelbe Welle schwappt durch den Raum, als Reinhard die Türe öffnet. Erschrocken drängelt sich eine Masse Küken in die hinterste Ecke. Achthundert sind es, sagt Reinhard. Die kleinen Vögel fassen wieder Mut, tippeln durchs Sägemehl, klettern auf die Sitzstangen, jagen sich und tun, als würden sie kämpfen. In der Kinderstube der Legehennen in Reinhards Stall ist es wohlig warm. Hier darf man nur mit Schutzkleidung und Plastiküberschuhen rein. Eine Schutzmassnahme vor der Vogelgrippe und anderen Geflügelkrankheiten.

Neben dem Stall steht der Hühnerhof. Reinhard hat tausend Legehennen und einige Dutzend Hähne. Sie hocken drinnen auf den Gestängen nebeneinander, manche zanken, einige legen gerade. Immer wieder kräht ein Hahn. Flink packt Reinhard ein weisses Huhn. Sie sind elegant und schnell, die Weissen, sagt Reinhard. Die Braunen sind behäbiger und kräftiger. Beide stammen von der Firma Hendrix - Hochleistungshühner, die über 280 Eier legen pro Jahr. Reinhard denkt viel nach über die Geflügelzucht. Es behagt ihm nicht, was da abläuft. Aber viel kann er nicht tun. Später im Auto wird er darüber sinnieren, was man mit den Tieren anstellt. Es sei unglaublich, sagt er, die Tiere sollten immer früher Eier legen - wenn sie eigentlich noch Teenager sind und der Legeapparat noch gar nicht fertig ausgebildet ist. Und sie sollten immer mehr Eier produzieren. Schon sei man nahe dran am Huhn, das 340 Eier lege. Das wäre ein Ei pro Tag - denn zwanzig Tage braucht der Bauer, um den Stall zu putzen. Ein Huhn legt nur ein knappes Jahr lang, danach wird es entsorgt. Entsorgen ist das richtige Wort. Die meisten werden verbrannt, weil niemand mehr Suppenhühner isst. «Wir Bauern müssen bis zu siebzig Rappen bezahlen, damit die Schlachthöfe unsere Legehennen überhaupt abnehmen. Das kann es doch nicht sein, dass wir so mit den Tieren verfahren.»

Das Pseudo-Biohuhn

Reinhard vertritt Hendrix offiziell in der Schweiz. Das niederländische Unternehmen steht für Hightech. Weltweit gibt es neben Hendrix nur noch ein weiteres Unternehmen, das Legehennen züchtet - die beiden versorgen die gesamte Welt mit ihren Tieren. Die zwei Firmen hüten ihre Zuchtlinien und mischen daraus je nach Bedarf neue Hybriden, die möglichst viele Eier produzieren. Das offizielle «Standard Hisex»-Huhn von Hendrix sei ein Huhn, das für die Batteriehaltung gezüchtet worden sei, das sage doch alles, meint Reinhard trocken.

Er hätte gerne ein robusteres Huhn. Und er fände es gut, wenn man die Hühner nicht nach so kurzer Zeit schlachten müsste. Nach dem ersten Legezyklus fallen sie in die Mauser und legen für einige Zeit keine Eier. Das könnte man steuern, wenn man wollte. Zusammen mit dem Forschungsinstitut für Biolandbau (FiBL) hat er einen Versuch gemacht (siehe WOZ Nr. 50/05) - es funktionierte, doch bislang sind die Bauern nicht darauf eingestiegen. «Für mich wäre das zwar ein schlechtes Geschäft. Ich habe ja auch eine Brüterei und ziehe Junghennen auf. Wenn man die Hühner länger leben liesse, könnte ich weniger Jungtiere verkaufen.» Aber das würde er in Kauf nehmen. Wenn er könnte, würde er ein robustes Huhn züchten, ein richtiges Biohuhn und nicht ein Pseudo-Biohuhn à la Hendrix. «Aber allein, ohne die Zuchtinformationen - die diese grossen Hühnerzuchtunternehmen geheim halten -, ist man wie ein verlorenes Huhn. Das schafft man einfach nicht.»


Der Grain-Report und die Schweiz

Die Umweltorganisation Grain belegte in ihrem Vogelgrippe-Report - den die WOZ in Nr. 11/06 publiziert hat -, dass die Hühnerindustrie zur weltweiten Verbreitung der Vogelgrippe beigetragen hat - und nicht die Zugvögel. Das H5N1-Virus dürfte vor allem über den Handel mit Eintagesküken, Bruteiern, verschmutztem Hühnerfutter (das zum Teil Hühnerfleisch enthält) und Hühnermist verschleppt werden. Wie sieht es diesbezüglich in der Schweiz aus?

Eintagesküken und Bruteier: Laut Bundesstatistik importierte die Schweiz 2005 zwölf Millionen Bruteier und zwei Millionen Mastküken. Die Eier und Küken stammen meist aus Frankreich.

Hühnermist: Es gibt keine Statistik über die Misteinfuhr. Laut dem Bundesamt für Veterinärwesen muss eingeführter Mist jedoch behandelt sein und sollte deshalb keine Keime enthalten.

Hühnerfutter: Rund achtzig Prozent des Schweizer Hühnerfutters stammen aus dem Ausland. Seit der BSE-Krise ist es verboten, Nutztieren tierisches Eiweiss zu füttern.

Importverbot: Als 2003 in den Niederlanden die Vogelgrippe grassierte, durften keine Eier und kein lebendes Geflügel aus Holland in die Schweiz eingeführt werden. Inzwischen sind die bilateralen Verträge II in Kraft, die es der Schweiz nicht mehr erlauben, gegen einzelne EU-Länder einen Importstopp zu verhängen. Die Schweiz untersteht heute den EU-Tierseuchenmassnahmen. Die EU verhängt jeweils über ein Gebiet, das von einer Tierseuche betroffen ist, ein Ausfuhrverbot.