Guns N’ Roses: Heroin N’ Yoga

Nr. 34 –

Die Comebacktour ist vorbei. Doch das Comebackalbum ist seit Jahren verschollen. Ein vielleicht verfrühter Nachruf auf eine kalifornische Rockband aus drogensüchtigen Irren.

Take me down to the paradise city where the grass is green and the girls are pretty - «Paradise City», 1987

Axl Rose und Izzy Stradlin kamen aus Lafayette, Indiana. Sie soffen zur falschen Zeit am falschen Ort und hörten die falsche Musik, Sex Pistols und The Ramones, und landeten dafür im Knast, einmal für drei Monate. Die Bullen spürten sie im eigenen Garten auf und verknackten sie wegen illegalen Biertrinkens. Sie flohen nach Los Angeles, Anfang der Achtziger. Und dort wurden sie drogensüchtig.

Sie lernten Saul Hudson kennen, der sich Slash nennt, ein ausgewiesener Alkoholiker, der Jack Daniels zum Frühstück trinkt. Und weil das hier Rock ’n’ Roll ist, klaute Duff McKagan, der Bassist, 133 Autos. McKagans Dauerkoma dauerte bis 1994. Dann explodierte seine Bauchspeicheldrüse. Zurück aus dem Koma und knapp dem Tod entronnen, schwor er den Drogen ab. Rose selbst versuchte 1989 die Drogensucht herunterzuspielen: «Ich war in meinem Leben bloss drei Wochen lang auf Heroin: Ich lebte mit einer Frau in einer Wohnung, und wir fixten und hörten den ganzen Tag Led Zeppelin. Es war gross-artig, weil ich nichts weiter zu tun hatte als herumzusitzen und ab und zu zu telefonieren.» Schlagzeuger Steven Adler wurde 1990 von Rose gefeuert, weil er beim Spielen ständig kollabierte. Das Heroin hatte ihn im Griff. Kurz darauf erlitt Adler einen Hirnschlag.

Learning-by-doing-Konzerte

«Wir haben alle überlebt», staunte Slash Anfang der Neunziger. Ihm selbst hatten sie nach einer Überdosis in der Notaufnahme eine Adrenalinspritze ins Herz gerammt. Backgroundsänger Shannon Hoon und West Arkeen, das inoffizielle siebte Bandmitglied, starben Mitte der Neunziger an Überdosen.

Am 26. März 1985 spielten Guns N’ Roses ihr erstes Konzert. Es kamen zwei Leute. Axl Rose, Slash, Izzy Stradlin, Duff McKagan, Steven Adler - das war die Originalbesetzung. Die «Süddeutsche Zeitung» beschrieb die Anfänge so: «Weil das Geld zum Proberaum nicht reicht, geben sie Learning-by-doing-Konzerte. Slashs Gitarre quiekt wie ein Rudel frischgeborener Ferkel, Adler trommelt wie ein Geistesgestörter, aber die Hauptattraktion ist natürlich Axl, der Verse kräht, die von der Gosse handeln und von der Sonne, vom höchsten Glück und vom tiefsten Schmerz. Und vom Tod. Es war wie bei einem Verkehrsunfall - absolut schrecklich -, aber man konnte nicht wegschauen.»

Sie mieteten sich eine Garage. «Es gab keine Duschen, deswegen duschten wir fast nie», sagte Slash. «Gitarristen duschen sowieso nicht gerne, weil die Finger davon weich werden, und das ist nicht gut fürs Spiel.» In der Garage tauchten bald Frauen und Männer in Anzügen auf. «Sie luden uns wochenlang zum Essen ein», freute sich Izzy Stradlin. «Sie» waren von Geffen-Records. Verträge wurden unterzeichnet. Das Debütalbum «Appetite for Destruction» erschien im Juli 1987. Zuerst passierte nichts. Dreizehn Monate später stand das Album auf Platz eins der US-Billboard-Charts. Die Songs «Paradise City» und «Sweet Child O Mine» hoben die Band in den Rockhimmel. «Appetite for Destruction» wurde mit bis heute zwanzig Millionen verkauften Kopien das erfolgreichste Rockdebüt. Zwanzig Jahre später verkaufen sich wöchentlich noch immer 5000 Kopien der Platte. Man zog von der Garage in die hellen Villen von Malibu und Beverly Hills. Guns N’ Roses sollen in den ersten vier Jahren ihrer Karriere sechzig Millionen Dollar verdient haben.

Wegen der Drogenexzesse und Schlägereien hatte die Band diverse Klagen am Hals. Dem Labelanwalt war das recht: «Wenn ihr eine richtige Rockband sein wollt, braucht ihr sogar noch mehr Klagen.» Der damals 27-jährige Rose bezeichnete sich selbst als «sehr sensibel und emotional». In der psychiatrischen Klinik nannten sie das manisch-depressiv. Der Sänger war dort einem 500-Punkte-Test unterzogen worden.

Rachsüchtiger Spinner

Der Erfolg zahlte sich aus: ein neuer BMW, ein bisschen Land in Wisconsin, Millionen auf dem Konto, Platinscheiben an der Wand - das gute Leben. Und dann dies: eine zerstörte Gitarre, Spiegel zertrümmert, die Platinalben zerbrochen. Das Telefon flog gerade aus dem Fenster, als der Musikjournalist vom «Rolling Stone» für die Titelgeschichte anrückte. Dem Reporter erzählte Axl Rose: «Jeder will mein Freund sein. Ich möchte in meiner kleinen Welt leben, doch ich lebe in einem Hochsicherheitstrakt. Ich kenne nicht einmal meine eigene Telefonnummer.» Hinter dem Rücken des Rockers stapelten sich Pistolen und Gewehre. Weil der Vermieter des Hauses ständig die Miete erhöht hatte, legte sich der Sänger eine Waffe zu. Man kann ja nie wissen, wozu Vermieter sonst noch fähig sind. Und weil in einem Waffenmagazin stand: «Wenn die Dinge irrewerden, brauchen die Irren eine Uzi», kaufte sich Rose als Erstes eine Uzi.

Der Sänger befand sich im freien Fall. Der Heroinkonsum machte ihn zum krächzenden Spinner voller Rachsucht, der sich aufführte wie ein zweijähriger Junge, weil, wie sein Psychologe sagte, «er dort stehen geblieben ist, mit zwei Jahren, als ihn sein Vater sexuell misshandelte». Rose schrieb «One in a Million», ein Rundumschlag gegen Homosexuelle, Immigranten, Schwarze. Dann krebste er zurück: «Ich habe nichts gegen Immigranten. Ich habe homosexuelle Freunde und mache ‹Niggermusik›.» Und: «Hat nicht auch John Lennon einen Song gehabt, der hiess ‹Woman is the Nigger of the World›?» Und: «Ich hasse den Ku-Klux-Klan.» Letzteres, weil ein Kritiker geschrieben hatte, «Guns N’ Roses könnten David Dukes Hausband sein». David Duke war ein Ku-Klux-Klan-Grossmeister und Präsidentschaftskandidat der USA. Guns N’ Roses haben «One in a Million» nie live gespielt. Stattdessen gingen sie auf Tour mit dem afroamerikanischen Rapper Ice-T und dessen Metal-Band Bodycount.

Feuerte Axl Rose die Band? Feuerte die Band Rose? Axl Rose tot? Wilde Gerüchte im Jahr 1990. Die Bilanz der ersten Jahre: Zwei totgetrampelte Fans an einem Gig in England, diverse Verhaftungen, unter anderem weil ein Bandmitglied in einem Flugzeug ein Feuer gelegt hatte. Eine annullierte Ehe, eine Scheidung, drei Drogenentzüge, drei Titelstorys im «Rolling Stone», siebzehn neue Autos und Jeeps, zahllose Gerüchte über die Auflösung der Band und den Tod von Axl Rose. Dizzy Reed war zur Band gestossen, ein schwer tätowierter Pianist. Der bullige Kopftuchträger Matt Sorum ersetzte Steven Adler. Am 17. September 1991 machten Guns N’ Roses mit der spektakulären Veröffentlichung der Alben «Use Your Illusion 1 & 2» allen Gerüchten ein Ende. Der alternative Albumtitel hätte gelautet: «Guns N’ Roses Sucks». Die beiden Alben erschienen am selben Tag, 36 Songs insgesamt. Die erste Single hiess «You Could Be Mine», ein Punkrocksong, der gleichzeitig Titelsong von «Terminator 2» war. Die Alben stiegen auf Platz zwei und eins in die US-Billboard-Charts ein. Innerhalb von sechzehn Monaten waren über zwanzig Millionen Kopien verkauft.

Wie bitte? Österreich?

Der erste Gig der zwei Jahre dauernden World-Tour fand in Rio statt. Man spielte vor 140 000 ZuschauerInnen. Für Heavy-Metal-Fans war das die Tour des Jahres. Im Vorprogramm spielten in den USA Metallica, in Europa Soundgarden und Faith No More. Die Laune des Axl Rose besserte sich dadurch nicht: Am 22. Juli 1991 in Riverport, einem Vorort von St. Louis, lief Rose von der Bühne, nachdem ihn jemand aus dem Publikum fotografiert hatte. 16 000 Fans rasteten aus und machten aus dem neuen Amphitheater Kleinholz. Als die Prügelkommandos der Polizei eintrafen und Tränengas in die Halle schossen, betrug der Sachschaden bereits zwei Millionen Dollar. Der damalige Manager klagte, inzwischen kämen viele Leute wegen des Spektakels, in der Hoffnung, es gebe Ausschreitungen. «Es ist wie bei Indianapolis 500: Die Leute kommen nicht wegen des Rennens, sie kommen wegen der Crashs.»

In Inglewood spielte sich die Band in ein Fieber. Die Show soll so lange gedauert haben: drei Stunden, sechsunddreissig Minuten und neunzehn Sekunden. Inklusive: 250 000 Watt Energie. Zwanzig Explosionen, 28 Riesenblitze, zwanzig Leuchtgewitter, 25 Wasserfälle und Fontänen. Zur Ballade «November Rain» stieg ein weisser Flügel aus dem Bühnenboden auf, Rose spielte auf einer zu einem Klaviersitz umgebauten Harley. «Es braucht sehr viel Integrität, ein richtiger Anarchist zu sein», sagte Slash zum Guns-N’-Roses-Gesamtkonzept des Irrsinns und des Pomps. Das Magazin «Life» glaubte, wenn sich «die Energie, welche die Band und vor allem Axl Rose live versprühen, ableiten liesse, könnte man in Nordamerika alle Häuser zum Leuchten und alle Kühlschränke zum Laufen bringen».

Wenn er nicht auf der Bühne stand oder sich mit Groupies im Whirlpool vergnügte, vertraute sich Rose auf der Welttournee seinem Therapeuten an. Slash trank sich ins Koma und versuchte, seine Sexsucht in den Griff zu kriegen - mit Hilfe seiner Frau, die ihm nicht von der Seite wich. Duff McKagan telefonierte ständig mit seiner Gattin Linda. Der Bassist hasste das Tour-Leben: «Ich wache nachts auf und habe keine Ahnung, wo ich bin.

Ich springe auf und schaue aus dem Fenster, doch es fällt mir nicht ein. In meinem Pass entdecke ich einen Stempel von Österreich. Und ich denke: Was, ich war in Österreich? Ich kann mich nicht erinnern.»

Melonensüsse Melodien

So sehr er der Band schadete, Guns N’ Roses verdanken den Grossteil ihres Erfolgs ihrem exzentrischen Frontmann. Rose war nicht nur ein genialer Songwriter (er war es, der - vor allem mit Izzy Stradlin - die meisten Songs der Band komponierte), sondern auch ein irrer Performer. Doch selbst ein Rick Rubin, der Johnny Cash aus dem Reich der Toten zurückgeholt und wieder salonfähig gemacht hatte, könnte Rose heute wohl nicht retten - zu schnell driftet das Pathos bei Guns N’ Roses ins Peinliche, zu wirr sind die Texte. Und manchmal sind sie auch einfach zu banal. Zeilen aus dem epischen «November Rain» klingen wie eine Schulbuchkonjugationsübung:

«Do you need some time / On your own / Do you need some time / All alone / Everybody needs some time / On their own / Don’t you know you need some time / All alone.»

Was zur Hölle ist also das Geheimnis dieser Band? Der deutsche Journalist Oliver Fuchs schrieb: «Was für ein herrliches Durcheinander! Man kapiert nichts und begreift doch alles. Das grossartige Video zur Single ‹November Rain› ist, wie fast das komplette Guns-N’-Roses-Werk, kitschig, ölgetränkt, borniert, männerverherrlichend, frauenverniedlichend, hochideologisch, überreaktionär - kurz: es rührt einen jedes Mal zu Tränen. Was Guns N’ Roses selten hatten: Esprit. Ironie. Originalität. Doppelbödigkeit. Mehrdeutigkeit. Hintersinn. Was Guns N’ Roses dafür immer hatten: Lieder zum Aus-dem-Fenster-Springen, Lieder zum Gashahnaufdrehen, Lieder zum Pulsadernaufschlitzen, und dazwischen die orangenzartesten und melonensüssesten Liebeslieder, die unter kalifornischer Sonne überhaupt denkbar sind.»

Die «Use-Your-Illusion»-World-Tour ging im Dezember 1992 zu Ende. Feuerte Axl Rose die Band? Feuerte die Band Rose? Zumindest feuerte er den Gitarristen Gilby Clarke, der als Ersatz für Izzy Stradlin gekommen war, mit dem sich Rose verkracht hatte. Das zum grössten Teil bereits vor der World-Tour eingespielte, 1994 veröffentlichte «The Spaghetti Incident», ein Album mit ausschliesslich Punk-Coverversionen von U.K. Subs, The Ramones bis zu The Misfits, war ein Flop. Kritiker nannten es «The Spaghetti Accident», einen Unfall. Erin Everly, Rose’ erste Exfrau, behauptete, er habe sie im Drogenrausch gefesselt und sexuell misshandelt. Der Sänger arbeitete fleissig am Totalabsturz: Zu den Drogen gesellte sich nun die Esoterik. Rose tauchte im Januar 1994 ab und floh nach Sedona. Die Stadt im Norden Arizonas gilt als ein Zentrum der New-Age-Bewegung. Dort fand er seine spirituelle Muse: Sharon Maynard alias Yoda, die ihn vor bösen Energien schützen sollte. Sie suchte potenzielle Auftrittsorte nach magnetischen Strahlen ab. Das Nächste, was man von Rose hörte, war, dass er am 11. Februar 1998 in Phoenix am Flughafen verhaftet wurde. Er war gerade aus Sedona zurückgekehrt und hatte einen Wutanfall bekommen, weil er glaubte, ein Flughafenmitarbeiter wolle seine mitgebrachten New-Age-Statuen zerstören. Duff McKagan sagte in einem Interview: «Axl ist noch immer mein Freund, mein Bruder, wir haben viel zusammen durchgemacht. Aber zu viele Leute um ihn herum weichen sein Gehirn auf, machen ihn konfus. Um es so zu sagen: Er lebt möglicherweise nicht mehr in derselben Welt wie Sie und ich.» Erin Everly erzählte dem «Rolling Stone» inzwischen, Rose glaube, er sei besessen von John Bonham, dem toten Schlagzeuger von Led Zeppelin.

1996 hatte Slash Guns N’ Roses verlassen. Das war der Moment, den Duff McKagan später als denjenigen beschreiben sollte, «in dem das Projekt Guns N’ Roses zu Ende ging». Wenig später stieg auch McKagan aus. Bereits vorher war Matt Sorum von Rose gefeuert worden. «Axl führte sich immer mehr wie ein Diktator auf», sagte McKagan. Was den übrigen Bandmitgliedern entgangen war: 1997 hatte sich Rose die Rechte am Namen Guns N’ Roses gekauft. «Die jetzige Band hat nichts mehr mit Guns N’ Roses zu tun», klagte der Bassist. Slash zeigte sich erbost: «Dass Axl die alleinigen Rechte am Namen hat, war ein grauenhafter Fauxpas. Er kann ins Studio gehen und ein Guns-N’-Roses-Album aufnehmen - ohne Rücksprache mit der alten Band.»

Hinter den Kulissen begann ein Krieg der Anwälte, der bis heute dauert: Es geht um Songrechte, um verschwundene Tantiemen, um Rechte an geistigem Eigentum. Axl Rose hält die Rechte an den meisten Songs, an den meisten Hits - egal, wer wie und was gespielt und wie geprägt hat und in welcher Art auch immer zum Erfolg der Band beigetragen hat. Komposition und Text: William Bailey. So hiess Rose im früheren Leben. Im März 2006 antwortete sein Anwalt letztmals auf eine von «Manipulator Saul Slash Hudsons diversen unbegründeten Klagen» mit einer Gegenklage.

Slash selbst widmete sich nach seinem Ausstieg vorerst einem Soloalbum und der Kultivierung seines Alkoholismus. Dem «Metal Hammer» verriet er: «Ich baue gerade in mein Haus in Beverly Hills einen Pub ein.» Dann gründete er gemeinsam mit McKagan und Matt Sorum sowie Musikern der Bands Suicidal Tendences und Stone Temple Pilots die Band Velvet Revolver, die «Contraband», wie sie ihr Album tauften. «Eine Allianz aus arg mitgenommenen Exjunkies», höhnte der «Guardian». «Contraband» erschien 2004 und erklomm die oberen Plätze der internationalen Hitparaden. Ein neues Album soll noch kommenden Winter erscheinen. Als Produzent ist offenbar der Hip-Hopper Pharell Williams im Gespräch.

Axl, Axl, Axl, Axl, Axl, Axl

Was hatte Rose ausgetüftelt in all den Jahren - ausser, dass er der Computerfigur Tommy The Nightmare Smith die Stimme lieh, dem Amokläufer des brutalen Massakervideospiels «GTA: San Andreas»? Rose besass jetzt die totale Kontrolle über Guns N’ Roses, über Rechte, Songs, Band - so wie es offenbar sein sollte: «Axl, Axl, Axl, alles dreht sich immer nur um Axl», hatte Gilby Clarke 1993 geklagt. War Rose an Drogenparanoia zugrunde gegangen? An Kontrollwahn? Der grösste Witz in der Musikindustrie lautet seit bald zehn Jahren: «Guns N’ Roses veröffentlichen ein neues Album.»

Anfang 2000 tauchte Rose aus der Versenkung auf und gab ein Interview auf MTV. «Ich habe in meinem Studio in Malibu bisher über 70 neue Songs eingespielt. Viele Sachen sind eher so, na ja, Hip-Hop-Style. Die Band Radiohead benutzt Beats, die im Hip-Hop-Kontext sind, wie soll ich sagen, es gibt Rockbeats, Hip-Hop-Beats und Radiohead-Hip-Hop-Beats. Ich mag das.» Bald gab es noch mehr Neuigkeiten. Das neue Album heisse «Chinese Democracy». Technoproduzent Moby, Tierschützer, Veganer und erfolgreicher New Yorker Geschäftsmann, sollte Guns N’ Roses fit machen für das neue Jahrtausend. Rose war es zudem gelungen, die Gitarristen Buckethead und Robin Finck an Bord der neuen Guns-N’-Roses-Band zu holen. Buckethead hatte mit Iggy Pop und Bill Laswell gespielt, Robin Finck war Gitarrist der Nine Inch Nails. Die Band, die bereits neun ehemalige Mitglieder zählt, war inzwischen zum Oktett angewachsen. Doch statt der Veröffentlichung eines neuen Albums sprangen Moby und Buckethead ab. «Rose schien jedem zu misstrauen. Er wirkte wie ein geschlagener Hund», sagte Moby später. «Es dauerte einfach alles zu lange. Zu viel wurde herumprobiert, aufgenommen, wieder beiseite gelegt, vergessen.»

Im Januar 2006 verkündete Rose auf einer Party - seine langen Haare zu Zöpfchen geflochten -, er arbeite an 32 neuen Songs. Ein Witz? Nicht unbedingt. Am 12. Mai gab die Band in New York ihr Comebackkonzert. Am 25. Mai startete die Guns-N’-Roses-Comebacktournee durch Europa. Die neue Band um den auffallend gut gelaunten Rose spielte nicht nur alte Hits, sondern tatsächlich auch jeweils drei, vier neue Stücke. Bereits seit dem 1. April 2005 waren im Internet immer wieder neue Guns-N’-Roses-Lieder aufgetaucht. Doch ein neues Album? Gerüchte über den Gesundheitszustand des Sängers kursierten: Was hatten die Sauerstoffflaschen hinter der Bühne zu bedeuten? Rose vor dem Kollaps? Lebt er nach der New-Age-Weltanschauung? Glaubt er an Karma und Reinkarnation? Meditiert er? Joga? Tantra? Ist er ausgenüchtert?

Letzteres ist er schon mal nicht. Am 27. Juni, auf der Comebacktournee, wurde Rose in Stockholm verhaftet, nachdem er in seinem Hotel betrunken randaliert und einen Wachmann ins Bein gebissen hatte. Rose gibt selten Interviews. Persönliches gibt er darin nicht preis. «No comment», heisst es bei der Plattenfirma. Die Tour endete im August. Zum letzten Mal sah man den Sänger am 11. August in London auf einer Party und in einem Londoner Krankenhaus, wo er Krebskranke besuchte. Die anderen Bandmitglieder flogen zurück in die Staaten zu ihren Familien. Seither herrscht wieder Funkstille. Bei der Plattenfirma weiss man trotz Comebacktournee in Sachen «Chinese Democracy» von nichts. Die offizielle Bandhomepage wurde soeben erneuert: Man strich die aktuellen Tourdaten. Die News-Sektion bekam ebenfalls ein Update verpasst. Dort steht jetzt: No News.

«Alles, was ich sagen kann, ist, dass wir musikalisch zu 99 Prozent fertig sind und mit den Stimmen zu achtzig Prozent. Das Album wird im Februar fertig. ‹Chinese Democracy› kommt im Sommer.» Doug Goldstein, Guns-N’-Roses-Manager, Januar 2000

Kurz vor Redaktionsschluss verkündeten Guns N’ Roses Daten für eine kommende US-Tournee als «letzte Vorstufe zum neuen Album, das im Herbst 2006 in den Läden steht».


Quellen: «New York Post», «RIP», «Rolling Stone», «Metal Hammer», «Classic Rock», «Guardian», MTV, «Spin», «Colt Heroes», «Kerrang!», «Süddeutsche Zeitung», «Hard Force Magazine», «Q», «Superteen», «Super-Size-Pin-ups», «O Globo», «Hit Parader», «Life».