Einheitskasse: Das Geld kommt zurück
Das staatsrechtliche Gutachten über die Finanzierung von Abstimmungspropaganda mit Prämiengeldern hat erste Folgen.
Die beiden StaatsrechtlerInnen René Rhinow und Regula Kägi-Diener bringen Bewegung in den Abstimmungskampf um die Einheitskrankenkasse. Ihr letzte Woche veröffentlichtes Gutachten (siehe WOZ 50/06) stellt fest, dass der Kassendachverband Santésuisse die Abstimmungspropaganda nicht mit Mitteln aus der obligatorischen Krankenversicherung bestreiten darf. Sogar Bundesrat Pascal Couchepin räumte am Montag auf eine Anfrage von Nationalrätin Jacqueline Fehr (SP, ZH) ein, dies sei ein Missbrauch der Prämiengelder. Zuvor hatte er keinen Anlass gesehen, Santésuisse unter die Aufsicht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu stellen. Nach wie vor bezeichnet Couchepin das Gutachten als dogmatisch und weltfremd und versucht die Abgabe zu bagatellisieren: Pro VersicherteN handle es sich nur um einen Betrag in der Höhe einer Briefmarke.
Jedenfalls stehen die Argumente von Rhinow und Kägi-Diener übermächtig im politischen Raum und zwangen auch Santésuisse zu einer Reaktion: Bis auf Weiteres will der Verband keine Gelder aus der obligatorischen Krankenkasse mehr für die Abstimmung im März aufwerfen und will dies durch ein unabhängiges Treuhandbüro überprüfen lassen. Künftig sollen für die Kampagne nur noch Gelder aus den privaten Zusatzversicherungen verwendet werden - was gleich auf ein weiteres Problem mit den Krankenkassen hinweist: die Verquickung zwischen Obligatorium und freiwilligen Zusatzversicherungen.
Im Rahmen der Diskussion um die Unterstützung der Abstimmungspropaganda geraten nun die hohen Abgaben der Kassen an Santésuisse generell in die Kritik. Laut Nationalrat Werner Marti (SP, GL) haben die Kassen in den letzten fünf Jahren allein mit ihren Abgaben pro versicherte Person rund hundert Millionen Franken an Santésuisse überwiesen. Zwar übernimmt Santésuisse beim Festsetzen der Tarife eine öffentliche Aufgabe, aber kostet das jährlich wirklich zwanzig Millionen Franken?
Überfragter Bundesrat
Gegen die Initiative für eine Einheitskrankenkasse tritt auch das «Gesundheitsforum» mit grossen Inseraten auf. Als Nationalrätin Christine Goll (SP, ZH) wissen wollte, wer hinter diesem Forum stecke, fühlte sich Bundesrat Couchepin überfragt. Hier schon mal eine Antwort: Beim Forum Gesundheit Schweiz handelt es sich um eine breite Lobbyorganisation, die sich unter anderem gegen die «Verstaatlichung des Gesundheitswesens» einsetzt und ihre Finanzierung auf «Gönnerbeiträge, Spenden sowie Legate» abstützt. Ihre Website (forumgesundheitschweiz.ch) weist in der Mitgliederliste die VertreterInnen von Ärzteschaft, Spitälern und Apotheken klar aus. Bei den aufgeführten ParlamentarierInnen begnügt sich die Liste aber mit dem Amt und verschweigt, wer von ihnen im Auftrag von Krankenkassen agiert oder gar von ihnen beschäftigt ist: Der St. Galler Ständerat Eugen David (CVP) etwa ist Verwaltungsratspräsident der Helsana. Seine Parteikollegin, die Aargauer Nationalrätin Ruth Humbel Näf, leitet die Region Mitte von Santésuisse. Nationalrat Jürg Stahl (SVP, ZH) ist Geschäftsleiter der Niederlassung Zürich der Groupe Mutuel.
Die SP verlangt nun von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, die Vorgänge zu untersuchen und Aufsicht und Finanzflüsse zu überprüfen. Sie verlangt zudem, dass die zweckentfremdeten Prämiengelder zurückerstattet werden: Auf ihrer Website findet sich ein Musterbrief, mit dem die Versicherten bei ihrer Krankenkasse dasselbe tun können. Mit einem weiteren Musterbrief kann beim BAG Aufsichtsbeschwerde erhoben werden: Das BAG soll die Kassen anhalten, die unrechtmässig erhobenen Beiträge an Santésuisse zurückzufordern und sie den Versicherten gutzuschreiben.
Musterbriefe auf: www.sp-ps.ch/ medien/medienkonferenzen/index.htm