«The Boss of it All»: Der Boss und seine Dogmen

Nr. 13 –

Der erste Film, den Lars von Trier vollständig als Komödie gedreht hat, ist ein politisch unkorrekter Befreiungsschlag, der grandios unterhält.

«The Boss of it All» beginnt mit der Stimme des Regisseurs aus dem Off. In ironischem Tonfall teilt er uns schulmeisterlich mit, es handle sich im Folgenden um eine harmlose Komödie, über die das Publikum nicht weiter zu reflektieren brauche. So bricht er gleich in der ersten Einstellung mit der filmischen Illusion, indem er uns mitteilt, was wir von seinem Werk halten sollen - automatisch distanzieren wir uns von der Geschichte.

Diese ist einfach und ausgeklügelt zugleich. Sie spielt in der unendlich öden Bürowelt, die bereits die britische Fernsehserie «The Office» inspiriert hat. Ravn (Peter Gantzler) ist der von allen MitarbeiterInnen geschätzte Boss einer Informatikfirma. Um sich aus schwierigen Situationen herauszuhalten, hat er einen «Überboss» erfunden, der für alles verantwortlich und an allem schuld ist: «The Boss of it All». Dieser hält sich immer, wenn nach ihm verlangt wird, gerade in den USA auf. Als ein isländischer Geschäftsmann sich partout nicht abwimmeln lässt, heuert Ravn einen Schauspieler an, der den imaginären Boss spielen soll.

Den Boss spielen

Der Schauspieler Kristoffer (Jens Albinus) stellt sich als selbstverliebter Egomane heraus, der dauernd seine «Figur» konsultieren muss. «Meine Figur stört es», sagt er dann jeweils zum Ärger Ravns. Weder die Ausdrücke «Transaktionshierarchie» noch «Human Resources» sind dem verklärten Theatermann ein Begriff, und der Unterschied zwischen Outsourcing und Offshoring schon gar nicht. Trotzdem muss er Sitzungen leiten, Personalpolitik betreiben und sich auch mal um sechs Jahre alte Kundenbeschwerden kümmern. Dies geht so lange gut, bis ihm jemand ein Glaubwürdigkeitsproblem unterstellt - was gibt es Schlimmeres für einen Schauspieler? - oder ihm Improvisationstheater vorwirft.

Die Welt, die von Trier mit «The Boss of it All» kreiert, erinnert an seine früheren Ausflüge ins Komödienfach, an seinen Dogma-Film «Idioterne» und die grandiose Krankenhausserie «The Kingdom». Mit dem Dogma-Manifest riefen Lars von Trier und sein junger Regiekollege Thomas Vinterberg («Festen») vor gut zehn Jahren augenzwinkernd zur «Ehrenrettung» des Films auf. Genug der Überzuckerung, genug der dramaturgischen Fesseln, gefordert wurde ungeschminktes, ehrliches Kino. Den Weg dazu sahen die FilmemacherInnen in der Reduktion und der strengen Einhaltung von Regeln.

Filmen nach dem Zufallsprinzip

Eine technische Spielerei konnte sich der einstige Dogma-Bruder auch bei seinem neuen Film nicht verkneifen: «The Boss of it All» ist mit Automavision gedreht. Diese computergesteuerte Kamera wählt nach dem Zufallsprinzip Einstellungen aus, die sich innerhalb eines vorprogrammierten Umfelds befinden. Von Trier stellte zusätzlich das Gebot auf, dass die Aufnahmen nicht nachträglich bearbeitet werden dürfen, etwa wenn Licht oder Ton nicht ideal gewesen waren. Kontrollfreak von Trier gibt für einmal die Kontrolle auf. Merkwürdige Bildausschnitte und ein unstimmiger Schnitt sind das Resultat. Das aussergewöhnliche Aufnahmekonzept erzeugt eine aufregende Filmsprache, die jedoch nie über die Geschichte dominiert.

Alles ist Spiel bei Lars von Trier: ein Spiel mit den filmischen Mitteln, den dramaturgischen Normen und ein Spiel mit den Sehgewohnheiten und Erwartungen der ZuschauerInnen. Die charmant widerspenstige Komödie endet mit den verschmitzten Worten des Regisseurs: «Bei all denen, die mehr, und denen, die weniger erwartet haben, möchte ich mich entschuldigen. Die, die bekommen haben, was sie wollten, haben den Film auch verdient.»


«The Boss of it All». Dänemark/Schweden 2006. Regie: Lars von Trier.