Durch den Monat mit Franz Weber (Teil 2): Hässlich ist schön?

Nr. 28 –

WOZ: Der Bundesrat will die Lex Koller abschaffen. Damit forciert er das, was Sie mit Ihren aktuellen Initiativen bekämpfen: den ungebrems­ten Bau von Zweitwohnungen und weiterer hässlicher Grossüber­bauungen.
Franz Weber: Ja, ich bin empört. Wir haben zurzeit einen sehr schwachen Bundesrat. Das ist der Ausverkauf der Schweiz – von denen, die mit Slogans wie «Unsere Schweiz, unsere Heimat» auf Stimmenfang gehen.

Auch Sie bedienen patriotische Neigungen, kämpfen mit Parolen wie «Giessbach dem Schweizer Volk». Weshalb?
Weil sich die Leute an Ort und Stelle angesprochen fühlen müssen. Patriotismus müsste ja eigentlich weltweit sein, die ganze Menschheit müsste zusammenhalten, wenn ihr die Menschen, die Tiere, die Umwelt wichtig sind.

Sie verstanden es schon immer, für Ihre Kampagnen die Medien einzuspannen. Wie wichtig sind sie, um die Leute zu mobilisieren?
Unverzichtbar! Ich konnte die Journalisten immer mitreissen. Irgendwann gabs dann plötzlich Porträts meiner Person. Ich wurde zum Katalysator.

Haben Sie die ganze Medienarbeit, national und international, immer selber gemacht?
Ja natürlich, bum, bum, bum! Ich war immer Journalist, aber als ich mit fünfzehn Reportagen im Rückstand war, musste ich den Journalismus aufgeben und zum sogenannt «angewandten Journalismus» übergehen (lacht). Dann hab ich nur noch das gemacht.

Hatten Sie sich als Journalist auch mit Umweltthemen beschäftigt?
Ich schrieb über ganz vieles, auch Kultur und sogar über Mode. In Kalifornien traf ich Jane Fonda, in Persien begleitete ich die iranische Kaiserin Farah Diba. Während vierzehn Tagen fuhr sie für mich, beziehungsweise für meine Reportage, Wasserski. So sah man Farah noch nie. Ich publizierte meine Geschichten in der Schweiz und Deutschland.

Sie waren schon damals ein Work­aholic?
Nun ja, ich schrieb Tag und Nacht, weil ich so viele Aufträge hatte. Ich war sozusagen eine Einmann­agentur.

Damals wie heute legen Sie grossen Wert auf Ihre äussere Erscheinung. Ein edel gekleideter Umweltschützer ...
Ja, natürlich! Früher war ich noch viel chicer angezogen, in Paris trug ich Stetson-Hüte, war immer wahnsinnig elegant. Ich habe ein ästhetisches Empfinden, nicht wahr. Wenn ich in meinen jungen Jahren Männer mit Bäuchen sah, dachte ich immer: Hoffentlich sehe ich später nicht auch so aus! Das ist ja furchtbar!

In welchem Verhältnis steht Ihr ästhetisches Empfinden zu Ihrer Wertschätzung der Natur?
Das gehört zusammen. Schönheit ist ein Teil unseres Lebens. Wie die Liebe, das hängt übrigens zusammen. Das durchleuchtet unser Leben. Das muss man schützen. Wenn man das schützt, schützt man ein Tier, eine Katze, ein kleines Kind. Diese unheimliche Freude und Unschuld eines Kindes, das muss Sie doch berühren! Oder ein Vogel ...

Und wenn ein hässliches Insekt bedroht ist, regt sich Ihr Beschützerinstinkt dann auch?
Ja, das ist ein Tier, das ist die Unschuld, die können nichts dafür, dass sie hässlich sind.

Aber es waren immer speziell schöne Landschaften, für die Sie gekämpft haben – das Lavaux, Surlej, die Donauauen, Les Baux de Provence ...
Es gibt natürlich Landschaften, die weniger auffallen, die flach sind und deshalb hemmungslos verbaut werden. Auch für deren Schutz kämpfe ich, wie eben aktuell gegen den uferlosen Bau von Eigentumswohnungen und gegen weitere hässliche Grossanlagen. Denn das darf nicht sein! Wir müssen doch alle und alles achten, auch das, was wir weniger schön finden. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Man hat kein Recht, etwas kaputt zu machen, nur weil man davon profitiert. Man muss immer an alles denken, gesamthaft. Und in diesem Empfinden an etwas herangehen. Darum sage ich immer: Die immateriellen Werte müssen wir schützen.

Sie machen da eine Rechnung?
Ja. Nehmen wir eine unberührte Landschaft. Meine Fragestellung lautet: Dieser Flecken Erde bereitet soundso vielen Menschen Freude. Sagen wir mal, das ist über die nächsten hundert Jahre gerechnet ein Wert von fünf Milliarden Franken. Nun kommt ein Promoter und setzt Hochhäuser hin. Wie viel sind die wert? Vielleicht hundert Millionen Franken? Also darf man doch nicht bauen!

Wie schaffen Sie es, die Menschen nicht zu hassen?
Wir sind ja alle miteinander verbunden. Andere Leute sind vielleicht weniger gut informiert. Darum mache ich ja diese Kommunikationsarbeit.

Was meinen Sie: Bekommt die Menschheit das Klima wieder ins Lot, zum Beispiel mit Emissions­kompensationen?
Nein, wir müssen reduzieren, das ist klar. Und zwar ganz radikal.

Was konkret müssen wir reduzieren?
Alles, was die Umwelt und die Luft verschmutzt. Ich habe schon 1972 in einem Vortrag in Marseille gesagt: Der Nutzen der Umwelt sollte ein Pflichtenheft der Industrie sein, für alle. Der Schutz der Umwelt muss einkalkuliert werden und im Verkaufspreis drin sein. Es darf nicht sein, dass sich Achtlosigkeit auch noch lohnt.

Die Wirtschaft sagt: Wenn die Regulierungen zu stark sind, zum Beispiel die Umweltschutzauflagen, dann gehen wir eben nach China oder in andere weniger reglementierte Länder.
Wenn Güter unter Berücksichtigung der Umwelt nicht rentabel hergestellt werden können, dann darf man sie doch gar nicht erst produzieren! Weil es gesamthaft nicht rentabel ist. Man muss doch den Schaden, den man anrichtet, sehen! Das sind Verbrecher! Und das muss man denen mit einem Hammer in den Kopf hämmern, diesen Büffeln.

Der Umweltschützer Franz Weber kämpft aktuell gegen die F/A-18 und den Bau von Ferienhäusern und landschaftszerstörenden Grossanlagen. Noch vor seinem achtzigsten Geburtstag Ende Monat besucht Weber für einen Dokumentarfilm zu seiner Person all die Orte, für deren Erhalt er erfolgreich gekämpft hat.