Durch den Monat mit Luzia Schmid (Teil 4): Lügt Michael Moore?
Luzia Schmid, Ihr Film «Lost in Liberia» läuft seit zwei Wochen im Kino. Zufrieden mit der Resonanz?
Luzia Schmid: Die Premieren in Basel und vor allem die in Zürich waren toll. Aber seither dürften die Zahlen etwas besser sein. Mit Dokumentarfilmen ist es allgemein schwierig, die Leute in Scharen ins Kino zu locken.
Sie wohnen in Köln. Was hat Sie dorthin verschlagen?
Ich bin wegen meines ersten Radiojobs von Zug nach Luzern gezogen. Dann wegen DRS3 nach Basel. Dann wieder wegen der Arbeit nach Zürich. Als ich dort für die Sendung «10 vor 10» arbeitete, besann ich mich darauf, dass ich immer mal noch ein Studium machen wollte. Als Fernsehjournalistin war es nahe liegend, das Filmhandwerk zu lernen. In Köln fand ich in der Kunsthochschule für Medien eine passende Schule, und da bin ich dann hängen geblieben.
Müde Journalisten wechseln in die PR, gelangweilte Journalistinnen werden Dokfilmerinnen oder gehen zum IKRK ...
Das hat was. Ich war ja auch versucht, zum IKRK zu gehen, wollte dann aber doch lieber Filme machen. Bei beiden Berufen geht es wohl um den Wunsch nach sinnstiftender Vertiefung. Aber insbesondere im Tagesjournalismus ist man zwar extrem gefordert – das ist ja ein unglaublicher Stressjob –, doch Aufwand und Ertrag sind oft nicht befriedigend.
Sind Dokfilme frei von Thesen, oder gibt es die auch da?
Die gibt es durchaus. Als Arbeitsgrundlage braucht man eine These. Die Kunst ist es, sie in einem filmisch attraktiven Konstrukt unterzubringen. Das kann mitunter ganz schön lange dauern. Ich bin jetzt gerade an einer halbgaren These, die ich schon lange mit mir rumtrage – und noch habe ich keine Ahnung, wie ich sie zu einem Film machen soll.
Erzählen Sie!
Lieber nicht, ich bin wirklich noch nirgends damit. Nur so viel: Was mich schon länger umtreibt, ist Reichtum und die Frage, warum die Menschen nie genug kriegen davon.
Ein aktuelles Thema. Wie haben Sie es selbst mit Geld?
Klar wäre ich auch gerne reich, aber daraus wird wohl nix.
Sie stammen aus einer soliden bügerlichen Familie. Half das bei der Entscheidung, Filmemacherin zu werden?
Bestimmt, insofern als ich weiss: Im Ernstfall habe ich eine Familie, die mich auffängt. Das ist einerseits sehr schön, andererseits ist die Vorstellung, diese Hilfe eines Tages in Anspruch nehmen zu müssen, grässlich.
Für «Lost in Liberia» drehten Sie in kriegsversehrten Ländern. Haben Sie da eigentlich auch mal inszeniert, oder ist alles sozusagen «echt», aus dem Moment heraus entstanden – so, wie es das Dokfilmdogma verlangt?
Diese Diskussion rund ums Inszenieren-ja-oder-nein ist mir total wurst. Ich arbeite eher für mich und schaue nicht gross, welche Debatten in der Branche geführt werden.
Sie haben also inszeniert?
Nein, das hätte gar keinen Sinn ergeben. Ausserdem hat das Dogma des Nichtinszenierens sowieso mit der Vorstellung zu tun, ein Dokfilm sei das Abbild der Wahrheit. Aber das ist ein Irrglaube. Nehmen Sie zum Beispiel Michael Moore; er ist ein reiner Polemiker. Vom Gestus her vermittelt er: «Das ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit» – aber das stimmt nicht, weil ein Dokfilm immer subjektiv ist.
Genau wie der Journalismus. Aber bevor wir hier alle Leserinnen und Leser aufschrecken: zurück zum Privaten. Der Kameramann von «Lost in Liberia» ist auch Ihr Ehemann. Wie ist es, mit dem Partner zusammen ein so grosses Projekt zu machen?
Das gemeinsame Drehen fand ich toll. In diesem Fall insbesondere, weil ich während der Zeit schwanger war – in einem malariagefährdeten Land. Da war ich froh, dass der Partner das mitträgt. Überhaupt ist das Gefühl von «das tragen wir gemeinsam» schön.
Was ist denn die Voraussetzung, dass ein Paar auch beim Zusammenarbeiten funktioniert?
Wir haben immer den Horror, dass wir als Künstlerpaar à la Christo und Jeanne-Claude daherkommen (lacht). Nein, wir sind ja auch in dem Sinne kein Künstlerpaar, bei uns hat es sich ergeben, dass Hajo als Kameramann etwas kann, was mir bei meiner Arbeit fehlt. Aber grundsätzlich geht es um Respekt vor der Arbeit und dem Können des andern. Ich finde, dass Hajo ein wahnsinnig guter Kameramann ist, drum würde ich sehr gern immer wieder mit ihm zusammen arbeiten.
Luzia Schmid hat den Dokumentarfilm «Lost in Liberia» gedreht. Er handelt von der Arbeit des IKRK und zeigt die Irin Leila Blackling bei ihrem ersten Einsatz in Liberia.