Durch den Monat mit Artur Jorge (Teil 3): In den Iran?
WOZ: Bisher ist die Europameisterschaft ein grosses Fussballfest: viele Tore, schnelle Spiele. Wären Sie nicht auch gerne dabei?
Artur Jorge: Sie haben recht: Das Turnier ist sehr gut bis jetzt. Die Qualität der Mannschaften ist hervorragend. Aber es gab ja auch ein, zwei richtig miese Spiele. Und Trainer an einer Europameisterschaft, das war ich schon mal. Mit der Schweiz. Auch die portugiesische Mannschaft habe ich lange trainiert. Jetzt bin ich nicht mehr ihr Trainer. Das geht schon in Ordnung, so ist das Leben.
Im Januar hätten Sie Trainer der iranischen Nationalmannschaft werden sollen. Dann wurden Sie es doch nicht. An Ihrer Stelle führt jetzt der Iraner Ali Daei die Mannschaft. Was ging schief?
Ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung. Das war alles sehr sonderbar. Es ist etwas geschehen, das ich nicht verstanden habe – zumindest bis heute nicht. Ich traf mich mit dem iranischen Fussballverband, hatte eine Abmachung, wurde sogar in den Medien als Trainer vorgestellt – und dann war ich plötzlich doch nicht der Trainer. Eine seltsame Geschichte.
Kannten Sie sich denn mit dem iranischen Fussball aus?
Ein bisschen. Ich war vorher ja schon Trainer bei zwei saudi-arabischen Vereinen gewesen.
Und? Wie war das?
Der arabische Fussball ist hier in Europa ziemlich unbekannt. Aber eigentlich können viele arabische Mannschaften mit dem europäischen Niveau mithalten. Auch der Iran, den Sie angesprochen haben, kann sich zeigen lassen. Die Iraner waren 2006 an der Weltmeisterschaft in Deutschland. Und auch schon früher haben sie sich zwei-, dreimal qualifiziert. Sicher: Die Iraner haben keine Weltklassemannschaft, aber in ein paar Jahren könnte schon etwas aus ihnen werden.
Zurück nach Europa: Portugal gehört zu den Turnierfavoriten. Und doch hat die Mannschaft ihr letztes Gruppenspiel gegen die Schweiz verloren. Vor einer Woche hatten Sie anders getippt.
Hören Sie mal, das war ja klar. Vor einer Woche, bevor die Schweiz als erste Mannschaft ausschied, dachte ich auch noch, dass die Portugiesen mit der richtigen Mannschaft spielen würden und nicht mit einem B-Team. Aber der Trainer hat die besten Spieler – verständlicherweise – geschont für das Viertelfinale gegen Deutschland.
Drückt das auf die Moral der Mannschaft, wenn man gegen eine der schlechtesten Mannschaften der EM zwei Tore erhält und verliert?
Ich würde die Schweiz nicht als eines der schlechtesten Teams bezeichnen.
Nicht?
Nein. Aber um zurück auf die Moral zu kommen: Ich glaube nicht, dass Portugal diese Niederlage sonderlich wehgetan hat. Das Spiel war einfach egal, das hat nichts mit dem weiteren Turnierverlauf zu tun.
Trainer Felipe Scolari wechselt nach der EM nach London zum FC Chelsea. Auch der Spielmacher Deco soll wechseln. Ist es nicht ungeschickt, während der EM solche Transfers zu verkünden?
Der FC Chelsea ist mit der Neuigkeit an die Presse getreten, dass sie nächste Saison mit Scolari in die Saison starten werden. Nicht umgekehrt.
Herrscht bei den Portugiesen deswegen nicht Unruhe?
Nein, natürlich nicht. Wieso soll das beunruhigend sein? Das fragen Sie doch nur, weil Sie sich die Unruhe herbeiwünschen. Scolari ist immer noch Trainer der Mannschaft, und das wird sich während der Europameisterschaft nicht ändern. Was nächste Saison ist, interessiert doch niemanden.
Die portugiesische Spielerlegende Eusebio hat im portugiesischen Fernsehen gesagt, Portugal fehle ein richtiger Stürmer, ein Knipser, der immer für ein Tor gut ist.
Hat er das gesagt? Wie viele Tore hat Portugal bisher geschossen?
Fünf ...
Na also. Nur Holland und Spanien haben mehr Tore erzielt als wir. Das spricht doch für sich.
Portugals Mittelfeld ist sehr stark besetzt, die Verteidigung manchmal unsicher und der Torhüter Ricardo, der an der WM 2006 noch der Penaltyheld war, ein Risikofaktor.
Schon wieder so negativ! Aber wir werden sehen. Am Donnerstag spielen wir gegen die Deutschen. Die haben gegen Kroatien nicht gerade überzeugt. Immerhin haben sie sich gegen Österreich wieder gefangen. Aber erwarten Sie jetzt bloss keinen Tipp von mir. Ich muss jetzt los, meine Freunde warten, ich gehe auf eine Bootstour.
Artur Jorge (62) betreute ein Jahr lang die Schweizer Nationalelf und wurde nach dem Aus an der EM 1996 entlassen. Danach trainierte er auch die portugiesische und die kamerunische Auswahl. Diese Woche geniesst er seine Ferien in Spanien.