Alu Menziken: Aargauer Arbeiter atmen auf

Nr. 35 –

Die Angestellten der Aargauer Firma haben es geschafft, das Schlimmste zu verhindern. Die angedrohte Lohnsenkung wird nicht umgesetzt, und es werden weniger Leute entlassen als ursprünglich geplant.


Für Unia-Sekretär Corrado Pardini ist es ein «Sieg mit nationalem Signalcharakter»: Die angekündigte Lohnsenkung von zehn Prozent bei der Alu Menziken Extrusion AG ist vom Tisch.

Alu Menziken war der Rieter AG gefolgt, die als erste Grossfirma eine Lohnsenkung angekündigt hatte. Zuvor hatten schon kleinere Firmen wie die Papierfabrik Landquart oder SFS Stadler als Reaktion auf die Krise die Gehälter gekürzt. Am 21. August wurden sich Angestelltenvertretung und Geschäftsleitung des von der Krise betroffenen Herstellers von Industriekomponenten einig. Alu Menziken hat gegenüber dem Vorjahr vierzig Prozent des Umsatzes eingebüsst. Ursprünglich wollte das Management siebzig Stellen abbauen und ein neues «Lohnmodell» einführen: Die Basislöhne wären ab nächstem Jahr um zehn Prozent gesenkt und von der «Gesundung des Unternehmens» abhängig gemacht worden. Verkauft wurde dies als «Partizipation der Mitarbeitenden am Unternehmensergebnis».

Länger arbeiten?

Statt siebzig werden nun gemäss Vereinbarung fünfzig Stellen abgebaut. Dabei müssen aber Alternativen zu Entlassungen wie Frühpensionierungen, Teilzeit, unbezahlter Urlaub für Sprach- und Ferienaufenthalte sowie Verschiebungen innerhalb des Unternehmens geprüft werden. Und statt der Lohnsenkung gibt es für das kommende Jahr eine Nullrunde bei den Löhnen. Zudem lassen Gewerkschaft und Beschäftigte je nach Verlauf der Krise über eine befristete Arbeitszeiterhöhung von zehn Prozent mit sich reden. «Das muss dann aber wirklich ausgehandelt werden, die Arbeitszeiterhöhung ist keineswegs bereits beschlossen», korrigiert Pardini Falschmeldungen in den Medien. Mit einer generellen Erhöhung der Arbeitszeit wäre man nie einverstanden gewesen. Bei einem erneuten Umsatzeinbruch im kommenden Jahr soll zudem die im Februar eingeführte Kurzarbeit fortgesetzt werden.

Aufatmen kann auch Viktor Haller, Präsident der Betriebskommission (BK). Er hat nervenaufreibende Tage hinter sich. Seit der letzten Betriebsversammlung war klar, dass die Beschäftigten der beiden Werke in den aargauischen Gemeinden Menziken und Reinach entschlossen waren, sich zur Wehr zu setzen. Das hat es der BK erleichtert, gegenüber dem Management entschlossen aufzutreten. Für Pardini war dies ein entscheidender Grund für den Erfolg: «Einmal mehr hat sich gezeigt, was eine kampfbereite Belegschaft vermag.» Weitere Faktoren waren die gute Verankerung der Unia im Betrieb – rund ein Viertel der Mitarbeitenden ist organisiert – sowie die Tatsache, dass die Gewerkschaft allein verhandeln konnte, ohne andere Angestelltenverbände, die ihr womöglich in den Rücken gefallen wären.

Fast genau vor zwei Jahren übernahm der Wiener Finanzinvestor Michael Tojner das Unternehmen. Tojner ist ein ehemaliger Investmentbanker. Er machte während des New-Economy-Booms mit zwei Wettfirmen viel Geld und gründete dann die Beteiligungsgesellschaft Global Equity Partners, mittlerweile Österreichs grösste Risikokapitalgesellschaft. Tojner begann, mit seinen guten Beziehungen in der Finanzwelt einen multinationalen Industriekonzern zusammenzuzimmern. Dieser heisst nun Montana Tech Components AG (MTC) und umfasst neben Alu Menziken den deutschen Mikrobatteriehersteller Varta AG sowie die österreichische MNI Holding, die Spezialmaschinen für die Metall verarbeitende Industrie herstellt. Alu Menziken ist das Flaggschiff des neuen Konzerns.

Verkauftes Filetstück

Tojner wollte die MTC rasch an die Börse bringen. Doch die sich verschlechternde Konjunktur machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Gleich nach der Übernahme im Jahr 2007 besetzte er die wichtigen Posten in der Alu Menziken Holding mit eigenen Leuten und stellte grosse Investitionen in Aussicht. Etliche Millionen wurden in die Erneuerung der Produktion investiert. Das Geld dafür stammte freilich von Alu Menziken selbst: Zuallererst wurde das Filetstück des Unternehmens, die US-Tochter Universal Alloy Corporation (UAC), herausoperiert und an die MTC verkauft. Diese hochrentable Firma beliefert Luftfahrtriesen wie Boeing und steuerte achtzig Prozent des Betriebsgewinns von Alu Menziken bei. Jetzt geht der Gewinn nicht mehr nach Menziken, sondern direkt nach Wien in die MTC.

So finanzierte Tojner die Erneuerungsinvestitionen, ohne dass er dafür eigenes Geld in die Hand nehmen musste. Dank der «NZZ am Sonntag» wurden Tojners Geschäftspraktiken publik. In der Montana-Jahresrechnung für die Jahre 2007 und 2008 stehen Ausgaben für «Private Equity Management Fees» in Höhe von 14,5 Millionen Euro. Das seien laut CEO Klaus Sernetz «Gebühren», die für den Aufbau von Montana nötig gewesen seien.

Stille Minderheitsaktionäre

Einen Haken hatte die Sache insofern, als Tojner die Alu Menziken nicht ohne Minderheitsaktionäre übernehmen konnte. Diese halten immer noch 48 Prozent des Aktienkapitals. Die skeptischen KleinaktionärInnen legten sich gegen die Verscherbelung der UAC für nur neunzig Millionen Dollar quer und drohten mit Prozessen. Daraufhin besserte Tojner im vergangenen Jahr ihre Abfindung auf.

Seit die KleinaktionärInnen nun eine Option auf eine günstige Beteiligung beim geplanten Börsengang von Montana und damit Aussicht auf einen ansehnlichen Gewinn zugesichert erhalten haben, sind sie plötzlich still geworden. Keiner regt sich auf, wenn Tojner derzeit mit dem Bau einer neuen Fabrik im Billiglohnland Rumänien die Alu-Sparte Aerospace ins Ausland verlagert und dadurch Alu Menziken zu einem schönen Teil entkernt. Arbeiteten unter der alten Gründerfamilie Gautschi noch an die 1000 Mitarbeitende in Reinach und Menziken, sind es heute im «filetierten» Betrieb noch rund 400.