Durch den Monat mit Andrea Arezina (Teil 3): Alles gut in Baden?

Nr. 42 –

Andrea Arezina: «Vor den Abstimmungen steigen wir jeweils ins Raucherzimmer, und ich erkläre ihnen die Vorlagen aus linker Sicht.»

WOZ: Worüber wir noch gar nicht gesprochen haben: Sie haben nicht nur soeben die 1:12-Initiative mitlanciert, sondern stecken auch noch mitten im Wahlkampf.
Andrea Arezina: Genau, am 25. Oktober [2009] finden in Baden die Wahlen in den Einwohnerrat, also ins Stadtparlament, statt. Da kandidiere ich mit weiteren Jusos auf der SP-Liste: fünf Frauen und ein Mann. Wir setzen uns für bezahlbare Wohnungen, mehr Kulturraum und Lehrstellen für Jugendliche ein.

Ist es ein Zufall, dass so viele Frauen auf der Liste sind?
Ja, das sind einfach alle Jusos, die in Baden selbst wohnen.

Wie machen Sie auf sich aufmerksam?
Vor zwei Wochen haben wir eine Wahlparty mit Konzerten organisiert. Es ist wichtig, dass junge Leute verstehen, dass sich etwas ändert, wenn sie für uns stimmen gehen. Wir müssen einen weiteren Rechtsrutsch verhindern. Letzte Woche sind wir durch die Cafés und Bars gezogen und haben ein Quiz über Baden veranstaltet.

Was musste man wissen?
Beispielsweise, wie viele Einwohnerinnen und Einwohner Baden hat.

17 000.
Sie hätten einen Regenschirm gewonnen.

Ich habe vorhin nachgeschaut. Was mir aufgefallen ist: Baden-Brugg ist die zehntgrösste Agglomeration, knapp hinter Winterthur und Lugano. Von diesen Städten habe ich ein Bild – aber von Baden?
Völlig zu Unrecht: Baden ist eine lässige Stadt, in der kulturell viel läuft. Ich bin ein Fan von Baden.

Manchmal lese ich die Zeitung «Sonntag» aus Baden. Da schlägt einem beim Lesen die pure Durchschnittsschweiz entgegen.
Ich finde sie meist besser als beispielsweise die «SonntagsZeitung». Sie hat tiefgründigere Recherchen.

Wie lange wohnen Sie schon in Baden?
Ich bin in Brugg aufgewachsen, aber wir waren immer schon in Baden unterwegs, weil hier mehr läuft. Vor einem Jahr bin ich dann hierher in eine WG in der Badener Altstadt gezogen.

Dann ist alles gut in Baden?
Nein, im Gegenteil: In den letzten Jahren erlebte Baden zwar einen wirtschaftlichen Boom, und in der Industrie bei ABB oder Alstom entstanden neue Arbeitsplätze. Aber diese Entwicklung hat auch ihre negativen Seiten: Immer mehr alte Häuser und Schmuckstücke werden abgerissen, überall entstehen Eigentumswohnungen für die sogenannten «Double Income, No Kids». Mit 25 Jahren kann man sich keine Eigentumswohnung leisten. Es ist in Baden sehr schwierig, eine WG zu gründen.

Darum haben Sie mit der Juso im Januar auch zwei leer stehende Hotels besetzt?
Genau, wir wollten ein Zeichen gegen die schlechte Wohnungssituation in Baden setzen. Daraufhin haben wir die Initiative «Baden für alle» lanciert.

Was fordern Sie?
Dass eine Stiftung geäufnet wird, mit der bezahlbarer Wohn-, Gewerbe- und Kulturraum gefördert wird. Ähnliche Stiftungen bestehen in anderen Städten, beispielsweise in Zürich. In unserer FDP-geprägten Stadt gibt es leider keine solchen Traditionen.

Ist auch die Kultur unter Druck?
Eines meiner Lieblingslokale, das «Herbert» im Bäderquartier, wo auch viele gute Konzerte stattgefunden haben, musste kürzlich wegen Lärmklagen schliessen.

Sie leiten die Kampagne für die 1:12-Initiative, engagieren sich im Wahlkampf. Wie sieht ein Tag von Ihnen aus?
Zwei Tage die Woche studiere ich, und zwei Tage arbeite ich für die Kampagne. Am Abend sind meist noch Sitzungen, an denen wir die nächsten Aktionen planen. Aber ich schlafe immer mit dem guten Gefühl ein, etwas zu verändern.

In Ihrer Wohngemeinschaft, wird da auch noch politisiert?
Nein, und das ist ein guter Ausgleich. Ich lebe mit einem Studenten, einem Handwerker und einem Musiker zusammen. Nur vor Abstimmungen steigen wir jeweils ins Raucherzimmer unterm Dach hoch, und ich erkläre ihnen die Vorlagen aus linker Sicht. Das sind immer angeregte Diskussionen.

Wie steht es um die 1:12-Initiative?
Es läuft sehr gut, von den ersten Sammeltagen haben wir schon 2000 Unterschriften. Auf dem Paradeplatz haben sogar Banker unterschrieben, und ein CVPler, der selbst eine ähnliche Idee hatte, sicherte uns tausend Unterschriften zu.

Und für den Wahltag, rechnen Sie sich da Chancen aus?
Das ist bei kommunalen Wahlen sehr schwer abzuschätzen. Auf jeden Fall würde ich mich über eine Wahl sehr freuen.

Aber Sie möchten schon einmal politisch Karriere machen?
Das überlege ich mir gar nicht. Ich nehme es, wie es kommt. Wichtig ist für mich, dass ich mich einsetze. Ein Amt ist dabei nicht entscheidend. Ich bin ja sowieso am liebsten auf der Strasse und diskutiere mit den Leuten.

Andrea Arezina (24) arbeitet im Kampagnenteam der 1:12-Initiative und macht ein Studium als Soziokulturelle Animatorin. Sie lebt in Baden.