Durch den Monat mit Andrea Arezina (Teil 4): Populistisch? Moralisch?

Nr. 43 –

Andrea Arezina: «Waffenexport ist eine Schande, nicht das Juso-Plakat.»

WOZ: Die Presse hat der 1:12-Initiative viel Platz eingeräumt. In der NZZ warf der Chefredaktor persönlich der Juso Zeitgeist und Populismus vor.
Andrea Arezina: Er hat recht, wir haben scheinbar den Zeitgeist erkannt. Das beweisen die vielen positiven Rückmeldungen beim Unterschriftensammeln. Wenn unter Populismus zu verstehen ist, dass wir Themen ansprechen, die die Leute wirklich bewegen – dann sind wir gerne populistisch.

Mehrere Seiten lang war die Reaktion der «Weltwoche»: Darin hiess es, dass in der Geschichte immer wieder eine Beschränkung der Lohnverhältnisse gefordert worden sei. Aber keine sei zu begründen gewesen, ausser moralisch.
Es geht nicht um Moral, sondern um Demokratie. Wenn das der «Weltwoche» nicht passt, so ist das ihr Problem. Wir fordern mit unserer Initiative, dass das Volk die Spielregeln wieder festlegt und gemeinsam gerechte Löhne verwirklicht. Heute sind sie willkürlich, und falsche Anreize haben zu hohen Risiken geführt.

Im Artikel war auch zu lesen, die Juso treibe die SP vor sich her wie in Deutschland Die Linke die SPD.
Der Vergleich mag uns schmeicheln, er ist aber unpassend: Wir Jusos verstehen uns als Teil der sozialdemokratischen Bewegung. Was man tatsächlich sagen kann: Die Juso ist stärker bei den Leuten. Die SP hat jetzt aber die Chance, mit den beiden am Samstag lancierten Initiativen – für einen Mindestlohn und für mehr Arbeitsplätze dank erneuerbarer Energien – wieder mehr Politik auf 
der Strasse zu machen.

SP-Präsident Christian Levrat zeigte sich am Wochenende enttäuscht vom Wahlergebnis in Genf. Er forderte ebenfalls, die Partei müsse sich auf soziale und wirtschaftliche Themen beschränken und näher zu den Leuten: an die Fussballspiele, an die Volksfeste.
Wir müssen unsere Botschaft stärker konzentrieren und vereinfachen. Politik darf keineswegs nur aus Regieren und Verwalten bestehen. Politik bedeutet, die eigenen Ideen dahin zu bringen, wo die Menschen arbeiten oder wo sie ihre Freizeit verbringen.

Sie sagen, man müsse die Botschaft vereinfachen. Diese Woche hat die Juso im Abstimmungskampf um Kriegsmaterialexporte Doris Leuthard mit blutverschmierten Händen dargestellt. Ist das nicht etwas simpel?
Natürlich wäre es zu einfach, wenn keine Argumentation dahintersteht. Aber es geht darum aufzuzeigen, dass die Schweiz Waffen exportiert. Jede und jeder, der sich dem nicht widersetzt, trägt zur Vernichtung von Menschenleben bei und macht sich die Hände blutig. Das ist die bürgerliche Politik. Das ist eine Schande, nicht das Plakat.

Levrat hat in seiner Rede auch das Wort Klassenkampf gebraucht.
Mit Klassenkampf meint er die Frage nach der Verteilung von Reichtum. Die politische Auseinandersetzung darüber, wer wie viel vom gemeinsam geschaffenen Wohlstand profitiert. Das ist aktuell wie eh und je. Wenn die Linke keinen Klassenkampf betreibt, machen es die Bürgerlichen. Und zwar als Umverteilung von unten nach oben.

Dann ist noch Bundesrat Moritz Leuenberger gekommen und hat den EU-Beitritt gefordert.
Der EU-Beitritt ist so fällig wie Leuenbergers Abgang (lacht). Aber ich habe mich gewundert, was das soll. Die SP hat beschlossen, sich auf die soziale Gerechtigkeit, Kaufkraft und erneuerbare Energien zu konzentrieren. Dass Moritz Leuenberger jetzt wieder ein neues Thema eröffnet, finde ich ungeschickt.

Links von der SP soll eine neue Partei entstehen ...
Ich wünsche allen Beteiligten viel Glück. Ich glaube aber nicht, dass es links der SP genug Potenzial gibt für eine neue, linke Partei auf nationaler Ebene. Wer die Linke schwächen will, der spaltet sie. Wer sie stärken will, tritt der SP bei.

Wie lange arbeiten Sie eigentlich noch für die 1:12-Kampagne?
Wir wollen die Unterschriften bis in einem Jahr zusammenhaben. Über Löhne wird nicht gesprochen, wie über das Gewicht nicht. Das wollen wir bis dahin geändert haben.

Und wie steht es um Ihre Kandidatur für den Badener Einwohnerrat?
Wir sind im Schlussspurt. In der Sonntagnacht haben wir auf jeden Briefkasten einen Post-it-Zettel geklebt, der zu den Wahlen aufruft.

Fast schon sinnbildlich für die Forderung, zu den Leuten zu gehen.
Ja, und Baden ist bekanntlich gross. Aber die Diskussionen auf der Strasse über unsere Stadt häufen sich, und genau das finde ich spannend.

Andrea Arezina (24) lebt in Baden und arbeitet im Kampagnenteam für die «1:12-Initiative», die sich dafür einsetzt, dass sich der tiefste und der höchste Lohn in einem Unternehmen nicht um mehr als den Faktor zwölf unterscheiden dürfen.