Durch den Monat mit Andrea Arezina (Teil 2): Wie stark ist die Juso?

Nr. 41 –

Andrea Arezina: «Die Abwahl von Christoph Blocher war für viele der Anlass, aktiv zu werden.»

Am Dienstag haben Sie die 1:12-Initiative lanciert. Das letzte Mal haben Sie dazu eine Aktion versprochen – wie sah sie aus?
Wir haben auf dem Bahnhofplatz in Bern und am Paradeplatz in Zürich ein Büro aufgestellt mit dem Equipment eines Managers. Davor hat eine Putzfrau gewischt. Zwei Balken haben das Lohnverhältnis der beiden angezeigt: Der Balken der Putzfrau war drei Zentimeter hoch, jener des Managers drei Meter. 1:100, das ist ungefähr das Lohnverhältnis bei den Banken.

Wie fielen die Reaktionen der PassantInnen aus?
Wir wurden förmlich überrannt. Die Leute sind teilweise Schlange gestanden, um zu unterschreiben. Das Anliegen trifft den Nerv der Zeit.

Mir gefällt an der 1:12-Initiative, dass sie charmant ist und eindeutig zugleich.
Ich finde es überhaupt wichtig zu sagen, dass die Dinge nicht immer kompliziert sind. Sie werden nur kompliziert gemacht, um von den wirklichen Problemen abzulenken. Den Leuten wird am Fernsehen vorgegaukelt, dass wirtschaftliche Abläufe auf komplexen «Naturgesetzen» beruhen. Dass aber gerade die ungleiche Lohnverteilung und die Gier der Manager nach Boni in die Finanzkrise geführt haben, wird verschwiegen.

Seit ein, zwei Jahren hat man den Eindruck: Bei der Juso, da läuft etwas.
Wir spüren einen enormen Mitgliederzuwachs und haben im letzten Jahr zehn neue Sektionen gegründet, die letzte in Obwalden. Im vergangenen Sommer haben wir in den Flumserbergen ein Camp mit 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern organisiert. Wir wollen stark sein, um die Welt zu verändern.

Wie sind Sie selbst zur Juso gekommen?
Bei uns zu Hause wurde immer schon politisiert, immer schon links. Ich bin mit meinen Eltern vor dem Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien in die Schweiz gekommen. Meine Familiengeschichte, die ist etwas kompliziert.

Erzählen Sie!
Also, meine Grossmutter lebte schon eine Zeit lang in der Schweiz, meine Mutter hat hier studiert, aber die ersten Jahre bin ich in Bosnien aufgewachsen. Mit fünf Jahren kam ich dann in die Schweiz, vom Land in einen Wohnblock, das war eine Umstellung. Im Jahr 2000 wurden wir eingebürgert.

Welche Erfahrungen machten Sie in der Schule?
Einer meiner Lehrer in der Primarschule war ziemlich fremdenfeindlich: Alle Ausländerkinder wurden in die Realschule eingeteilt. Ich schaffte es dann in die Sek, machte eine KV-Lehre, dann die Berufsmittelschule, heute studiere ich. Diese Umwege haben sicher mit meiner Herkunft zu tun. Dass ich es relativ weit geschafft habe, ist auch ein Antrieb, mich für Leute in einer ähnlichen Situation einzusetzen.

Zum Beispiel?
Kürzlich wurden in Suhr drei jugendliche Ausländer wegen pauschaler Vorurteile nicht eingebürgert.

In Suhr, wo sich «Zukunft Suhr» und «echt Suhr» gegenüberstehen? Die WOZ hat darüber berichtet (siehe hier ).
Die Juso Aargau hatte den drei Jugendlichen einen Anwalt besorgt, der ihnen unentgeltlich einen Rekurs ermöglicht. In der Öffentlichkeit heisst es schnell: «Jugo» gleich «kriminell». Ich finde, man sollte viel mehr über die ökonomische Situation dieser Familien sprechen: Beide Elternteile arbeiten meist den ganzen Tag, und dennoch ist es für sie schwierig, finanziell über die Runden zu kommen. Da bleibt oft keine Zeit, sich um die Kinder zu kümmern.

Sind Sie mit Ihrem Hintergrund bei der Juso eine Ausnahme?
Nein, wir haben viele Leute vom Balkan, aus der Türkei, sogar aus Ägypten. Und auch aus Appenzell und dem Emmental.

Gab es für Sie einen konkreten Anlass, bei der Juso mitzumachen?
Die Abwahl von Christoph Blocher war für mich, und übrigens für viele andere auch, der Anlass, aktiv zu werden. Blocher im Bundesrat, das war für viele Jugendliche eine Katastrophe. Seine Abwahl hat gezeigt, dass etwas möglich ist, dass man etwas verändern kann in der Politik, wenn man sich einsetzt. Es war eine kleine Wende, von der viel Dynamik ausging. Der Slogan der Juso heisst denn auch: «Ändern, was dich stört».

Was charakterisiert die neue Juso sonst noch?
Wir wollen die Politik nicht im Sitzungszimmer machen, sondern auf der Strasse, im Gespräch mit den Leuten. Und wichtig sind auch die Freundschaften, die uns miteinander verbinden, wir feiern auch viele Feste.

Und dann haben Sie mit Cédric Wermuth auch noch einen cleveren, mediengewandten Chef.
Ja, Cédric treibt die Sache vorwärts und gibt der Juso ein Gesicht. Die Juso ist unter anderem durch ihn auch stärker und grösser geworden. Wichtiger als das Präsidium sind aber die vielen motivierten Aktivistinnen und Aktivisten, wir fällen alle Entscheide basisdemokratisch.

Andrea Arezina (24) arbeitet im Kampagnenteam der 1:12-Initiative. Sie wohnt in einer Wohngemeinschaft in Baden und macht ein Studium Richtung Soziokulturelle Animatorin.