Iran-Pakistan-Afghanistan: Seitensprung mit drei Pässen

Nr. 43 –

Ein Anschlag im Iran, eine Militäroffensive im pakistanischen Wasiristan, heftige Gefechte in Afghanistan – in der Region brodelt es derzeit überall. Und jedes Ereignis hat mit dem anderen zu tun.


Zwischen Teheran, Kabul und Islamabad ist derzeit einiges los. Während der afghanische Präsident Hamid Karzai nun doch noch in den zweiten Wahlgang muss, erleiden derzeit die von der Nato geführten Isaf-Truppen in Afghanistan die grössten Verluste seit dem Beginn ihrer Intervention 2001. Gleichzeitig lancierte im benachbarten Pakistan die Armee am Sonntag eine seit längerem erwartete Offensive gegen Talibanhochburgen nahe der afghanischen Grenze. Und schliesslich sprengte sich gleichentags in der iranischen Grenzregion zu Pakistan ein Selbstmordattentäter unter iranischen Revolutionsgardisten (Pasdaran) in die Luft.

In Pakistan rücken derzeit im unzugänglichen Südwasiristan, im Grenzgebiet zu Afghanistan, 28 000 Soldaten gegen Stellungen der nationalen Talibanbewegung (TTP) vor. Der Offensive vorausgegangen waren ein wochenlanger Artilleriebeschuss sowie Angriffe unbemannter US-amerikanischer Drohnen, die bereits Hunderttausende in die Flucht trieben. Diesen Angriffen war im August auch TTP-Führer Baitullah Mehsud zum Opfer gefallen. Inzwischen haben ihn seine Stammesbrüder und früheren Leibwächter durch Hakimullah Mehsud ersetzt. Unter dessen Befehl attackierten in den vergangenen Wochen in Polizeiuniformen gekleidete Taliban mehrere Armee- und Polizeieinrichtungen. Dabei kamen 150 Menschen ums Leben.

Petraeus’ Besuch

Inzwischen ist General David Petraeus, der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan und Irak, in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad eingetroffen. Sein Besuch zeigt, dass die pakistanische Offensive vor allem im Interesse der USA in ihrem Kampf gegen die afghanischen Taliban ist. Schafft es die pakistanische Armee, Südwasiristan in den Griff zu bekommen, verlieren auch die afghanischen Taliban ihr sicheres Rückzugsgebiet.

Die pakistanischen Taliban sind aus den Taliban in Afghanistan entstanden. Ursprünglich hatten sie ihren afghanischen Brüdern – im Auftrag der pakistanischen Armee, die seit langem immer wieder mit den Islamisten kooperiert – Rückzugsbasen in ihren autonomen Stammesgebieten angeboten und deren Logistik besorgt. Erst mit dem Sturz des Talibanregimes in Kabul 2001, an dem sich auf Druck der USA auch Islamabad beteiligte, beschlossen sie, eigenständig zu agieren. Sie erklärten Mullah Omar zu ihrem geistigen Führer, Afghanistans Talibanemirat zu ihrem Vorbild und wandten sich gegen die eigene Regierung. Dabei kooperieren sie mit Terrorgruppen aus Pakistans Kernprovinz Punjab, die ursprünglich von Pakistans Streitkräften als fünfte Kolonne in der Kaschmirregion eingesetzt wurden; Kaschmir wird seit der Teilung des Subkontinents von Pakistan und Indien beansprucht.

Auch die islamistische Dschundallah (Brigade Gottes), die am Sonntag im iranischen Pischin über vierzig Menschen, darunter sechs hohe Offiziere der Pasdaran, ermordete, gehört zum näheren Umfeld der Taliban. 2003 hatte sich die Dschundallah von der linken Autonomiebewegung in Belutschistan im Osten des Iran abgespalten.

Kontakte zum Geheimdienst

Im Gegensatz zu den meisten IranerInnen sind die BelutschInnen keine SchiitInnen, sondern SunnitInnen. Vor allem aber sind sie NomadInnen, die seit je in den heissen Wüsten am Dreiländereck Afghanistan-Pakistan-Iran Schmuggel betreiben – inzwischen auch mit Rohopium und Heroin. Dieser Handel hat die Dschundallah mit den Taliban in Berührung gebracht. Ihr Anführer, der rund dreissigjährige Abdulmalek Regi, soll wie viele BelutschInnen Pässe aller drei Länder besitzen. Laut dem US-amerikanischen Belutschenexperten Selig Harrison verfügt die Dschundallah über Kontakte zum pakistanischen Militärgeheimdienst ISI – auch das hat die Gruppe mit den Taliban gemeinsam.

Bemerkenswert ist, dass Regis Leute offenbar politisch auf zwei Seiten agieren. Laut dem US-Journalisten Seymour Hersh gehörte die Dschundallah zu den «ethnischen» Oppositionsgruppen im Iran, die – zumindest in den Regierungsjahren von US-Präsident George Bush – ein vom CIA finanziertes Training erhielten. Ihnen war zugedacht, in Teheran einen Regimewechsel zu erzwingen. Laut Augenzeugen aus der südostiranischen Stadt Sahedan bildeten jedoch auch die iranischen Revolutionsgarden Dschundallahkämpfer und Taliban gegen die US-Truppen in Afghanistan aus.

Womöglich hat also der CIA Islamisten unterstützt, die dann in Afghanistan das US-Militär angriffen. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad seinerseits beschuldigt nun den pakistanischen Geheimdienst, beim Anschlag in Pischin seine Hände mit im Spiel gehabt zu haben.