In eigener Sache: Mit Demokratie und fetten Würsten

Nr. 48 –

Vielleicht ist ausgerechnet die WOZ die richtige Antwort auf die Medienkrise.


Unbekannte Leserin, unbekannter Leser, Sie haben sicher Ihre Vorstellungen von der WOZ. Tatsächlich sind die Sitzungen endlos. Ich sage immer: Wenn man hier fünfzig Prozent arbeitet, kann man gerade an alle Sitzungen gehen. Das ist aber wirklich das einzige Vorurteil, das zutrifft. Parteilinie? Humorverbot? Gesunde Ernährung? Das Gegenteil ist der Fall. Jeden Mittwoch vor Redaktionsschluss wird die Belegschaft zur Stärkung mit Würsten versorgt. Mit vor Fett triefenden Würsten, irgendwo aus dem Muotatal.

Das Land interessiert uns auf der WOZ-Redaktion nämlich gleich viel wie die Stadt. In der Dorfbeiz und in der Szenebar wird am Schluss über dieselben Abgründe und Wahrheiten geredet. Auf dem Land kennen sie die WOZ meist nicht, das ist bei Reportagen ein Vorteil. In der Stadt kennen sie uns meist zu gut, das ist auch ein Vorteil. Insgesamt sind wir wohl so etwas wie die Zeitung der Challenge-League-Welten. Aber dort – das zeigen die Wettskandale – ist es auch am interessantesten.

Okay, Sie lassen trotzdem nicht locker, geben Ihre Vorurteile nicht so schnell auf. Vielleicht sind Sie ja einer, der alles begriffen hat und seine eigene Enttäuschung mit der Wirklichkeit verwechselt. Und jetzt gleich loslegen will mit der Litanei, wonach eine linke Zeitung als Projekt der Aufklärung eine Idee von gestern ist: «Bitte, wärt ihr endlich auch so gut, schaut der Realität in die Augen ...»

Vielmehr ist die WOZ eine Idee für morgen. Worum ging es denn bis jetzt in der Wirtschaftskrise? Um eine feudalistische Umverteilung: im Betrieb bei der Lohnpolitik, im Staat bei der Steuerpolitik, der Bankenrettung, dem Sozialabbau. Der erste Schritt in eine andere Richtung heisst Wirtschaftsdemokratie. Und worum geht es in der ganzen Medienkrise? Um den Einbruch bei den Inseraten und die Alternative des Internets. Als Folge um das Ende des klassischen Verlegermodells, befeuert durch die Verleger höchstpersönlich. Der zweite Schritt in eine andere Richtung sind neue Finanzierungsformen.

Zur Wirtschaftsdemokratie: Die WOZ gehört einzig ihren fünfzig MitarbeiterInnen. Genauer: Der Genossenschaft Infolink. Wer zu mehr als fünfzig Prozent angestellt ist, wird GenossenschafterIn und darf mitbestimmen. Damit bestehen von aussen keine Einfluss- oder Übernahmemöglichkeiten, weder politisch noch kommerziell. Sie meinen, die Pressefreiheit gewährleiste das bereits? Die beginnt doch nicht, wenn man nicht beeinflusst wird. Sondern erst dann und im Kopf, wenn man nicht länger damit rechnen muss, beeinflusst zu werden.

Auf der WOZ erhalten alle den gleichen Lohn. 1:1, das ist noch besser als 1:12. Gegenwärtig beträgt der Einheitsbruttolohn 4000 Franken pro Hundertprozentstelle. Da muss man sich nicht ständig überlegen, wie viel der andere verdient. Einen Chef brauchen wir nicht. Nun wenden Sie sicher ein, es gäbe dann bestimmt Grabenkämpfe? Zugegeben, es gibt einige Häuptlinge. Von ihnen kann man immerhin Indianerschlauheit lernen. Und natürlich gibt es Leerläufe, Frustrationen, Krisen, Leerläufe, Frustrationen, Krisen ... Diese Form des Wirtschaftens muss man immer wieder neu erfinden.

Zu den Finanzierungsformen: Im Zug der Medienkrise hat in den USA ein Immobilienhändler dem «Wall Street Journal» zehn Millionen US-Dollar gespendet, damit es weiterhin investigativen Journalismus betreiben kann. Die WOZ verfügt bereits seit 1984 über eine solche Geheimwaffe: den ProWOZ-Förderverein mit seinem Recherchierfonds. Mitglieder im Förderverein unterstützen Projekte der Zeitung, Spenden an den Recherchierfonds wiederum ermöglichen hintergründige Artikel.

Zum Grossteil finanziert sich die WOZ aus Abonnements. Gemäss der aktuellen Abostatistik am Kühlschrank haben wir soeben die Grenze von 14 000 Abonnements durchbrochen. Einen Abotalon finden Sie auf Seite 28.

Hier noch eine Frage an die kritischen JournalistInnen: Warum stützt ihr eigentlich weiter die Medienkonzerne? Und noch eine an unsere linken FreundInnen: Warum rennt ihr eigentlich mit jeder zweiten Neuigkeit zum Fernsehen?

Merci, und die Redaktionshunde bellen.