Bankgeheimnis: Nichts für neugierige Nachbarn
Macht uns der automatische Informationsaustausch zu «gläsernen Bürgern»? Nein, sagt Bruno Gurtner, Präsident des internationalen Tax Justice Network.
WOZ: Bruno Gurtner, von verschiedenen Seiten wird in Steuerfragen der automatische Informationsaustausch gefordert. Die Gegner befürchten, dass wir zu «gläsernen Bürgern» werden ...
Bruno Gurtner: Wenn man dieses Argument schon bemüht, müsste es überall angewandt werden. Die Lohnausweise beispielsweise werden bereits heute in den meisten Kantonen direkt an die Steuerbehörde geschickt. Da habe ich aber noch nie gehört, dass jemand vom gläsernen Bürger geredet hätte.
Hanspeter Thür, oberster Datenschützer, sprach sich diese Woche gegen den automatischen Austausch aus.
Er sagt, die Privatsphäre müsse aufrechterhalten werden. Aber Thür sagt auch, das Bankgeheimnis dürfe nicht für Steuerhinterziehung missbraucht werden. Der Schutz der Privatsphäre ist mit dem automatischen Informationsaustausch weiterhin gewährleistet. Auch in Zukunft wird niemand fragen können, was der Nachbar auf seinem Konto hat.
Sie sagen, der Informationsaustausch ist unproblematisch?
Wenn man nichts tut, dann wird das Bankgeheimnis weiterhin krass als Steuerhinterziehungsgeheimnis missbraucht. Der Datenschutz ist ja nicht dazu da, kriminelles Verhalten zu decken. Der Informationsaustausch ist gerechtfertigt, weil weltweit ungeheure Mengen an Geld zulasten des ehrlichen Steuerzahlers hinterzogen werden. Missbrauchsmöglichkeiten lassen sich durch geeignete Schutzmassnahmen vermeiden.
Was versprechen Sie sich vom automatischen Informationsaustausch?
Damit haben die Steuerbehörden wesentlich grössere Handhabe, potenzielle Steuerhinterzieher zur Kasse zu bitten. Natürlich würde damit auch der unfaire Wettbewerbsvorteil des Schweizer Finanzplatzes abgeschafft. Das heutige Geschäftsmodell basiert aber darauf, dass man Steuerhinterziehern Schutz bietet. Ein Grossteil der ausländischen Gelder in der Schweiz – Schätzungen zufolge zwischen dreissig und achtzig Prozent – sind hinterzogene Gelder. Und der internationale Druck auf Steueroasen steigt. Es wird immer schwieriger, Steuern zu hinterziehen.
Die Schweiz spielt auf Zeit ...
Aber das genügt heute nicht mehr. Wir brauchen einen Schritt nach vorne.
Mit dem automatischen Informationsaustausch?
Ja, er ermöglicht den Steuerbehörden verschiedener Länder, relevante Informationen auszutauschen, um ihre Steuergesetze durchzusetzen und Steuererträge zu generieren. Bisher gibt es nur den Austausch auf Anfrage. Die Schweiz hat vor einem Jahr beschlossen, das OECD-Musterabkommen zu übernehmen und auch bei Steuerhinterziehung – nicht nur bei Betrug – Amtshilfe zu leisten.
Reicht das nicht?
Nein. Ein Beispiel: Wollen ausländische Steuerbehörden Auskunft über die Schweizer Bankverbindungen eines ihrer Staatsbürger, müssen sie der Eidgenössischen Steuerverwaltung Angaben über diese Konten machen können. Ein Anfangsverdacht allein reicht nicht. Das sind sehr hohe Anforderungen. Man muss also faktisch schon wissen, was man wissen will, bevor man überhaupt eine Anfrage starten kann. Deshalb wird der Informationsaustausch auf Anfrage relativ selten genutzt.
Und das würde sich mit dem automatischen Informationsaustausch ändern?
Der Austausch würde intensiviert. Denkbar wäre die Kombination aus automatischem Austausch und Austausch auf Anfrage: Die Bank in der Schweiz teilt der Steuerverwaltung mit, welche Person, welches Unternehmen welche Konten hat und wer an welchen Trusts, Stiftungen und anderen geheimnisvollen juristischen Personen beteiligt ist. Die Steuerverwaltung leitet die Daten an die ausländische Behörde weiter, und diese vergleicht diese Angaben mit den eigenen. Wenn sie dann sieht, dass sie vom Steuerzahler nicht alle Daten erhalten hat, kann sie wieder an die Steuerbehörde in der Schweiz gelangen und die Informationen einfordern, die sie braucht.
In der EU ist aber eine weiter gehende Version verbreitet ...
Nur Bankdaten werden automatisch an die Steuerbehörde übermittelt, und diese leitet sie weiter an andere EU-Steuerbehörden. Zur Steuerhinterziehung gebildete Stiftungen und Trusts werden nicht erfasst und schlüpfen durch die Maschen. Wichtig ist aber: Nicht jeder hat Zugriff auf diese Daten. Man kann also mit dem automatischen Informationsaustausch nicht die Bankkonten des Nachbarn einsehen. Nur die Steuerbehörden haben auf die Daten Zugriff.
«Brauchen wir den automatischen Informationsaustausch?» Informationsabend mit Bruno Gurtner (Tax Justice Network), Markus Meinzer (Tax Justice Network) und Andreas Missbach (Erklärung von Bern), Dienstag, 9. März, 19 Uhr, Volkshaus Zürich.