Durch den Monat mit Dani Levy (4): Was ist eigentlich jüdischer Humor, Herr Levy?

Nr. 38 –

Dani Levys Film «Alles auf Zucker!» (2004) wurde als eine «Wiederbelebung des deutsch-jüdischen Lustspiels» gewürdigt. Sein neuester Film «Das Leben ist zu lang», der zurzeit in den Schweizer Kinos läuft, ist eine Komödie über einen jüdischen Filmemacher, die mit Klischees über Juden spielt.

Dani Levy: «Ich bin sicherlich jemand, der sich mit dem, was er tut, lebt und erlebt, infrage stellt.»

WOZ: Der Protagonist in Ihrem neuen Film «Das Leben ist zu lang» erinnert manchmal an Woody Allen, und es wurde gesagt, Sie seien eine Art neuer Ernst Lubitsch in Deutschland. Sind diese jüdischen Filmemacher konkrete Vorbilder für Sie? Wie fühlen Sie sich angesichts solcher Vergleiche?
Dani Levy: Beschämt, geschmeichelt, verwirrt. Es gibt so viele Filmemacher, die mich gelehrt und beeinflusst haben. Ich bin ja Autodidakt, das Kino war meine Schule. Auch ganz schlechte Filme können einen inspirieren, und wie sich all diese Hunderte von Filmen in einem abspeichern, das weiss sowieso niemand. Ich liebe es, Filmemacher zu bewundern, von Truffaut bis zu Fellini, von Sidney Lumet bis zu den Coen-Brüdern, von Kurosawa bis zu Buñuel – aber Sie haben natürlich recht, die alten jüdischen Komödienmeister sind sicherlich besonders.

Sie fühlen sich also etwa Woody Allen, der in seinen Filmen auch öfter selbst auftritt, näher als anderen Regisseuren?
Ich spüre seinen Filmen an, dass sie einer anderen Generation entspringen als der meinen. Woody Allen ist für mich also eher ein Vater, ein sehr geliebter Vater – vielleicht eine Art Ziehvater. Er ist jedenfalls ganz klar ein Familienangehöriger.

Sie haben 2005 für Ihren Spielfilm «Alles auf Zucker!» den Ernst-Lubitsch-Preis erhalten, der alljährlich vom Club der Berliner Filmjournalisten vergeben wird. Die Jury bescheinigte Ihnen, «in bester Tradition Lubitschscher Komödienkunst» zu stehen. Wie war es, diesen Preis zu erhalten?
Bei «Alles auf Zucker!» hat eben mal alles funktioniert: die Presse, das Publikum – und Preise bekam ich auch. Es gibt Filme, die bekommen alles, andere nichts. Das ist manchmal sehr ungerecht. In meinem Herzen kann das ganz anders aussehen, da ist der Erfolg nicht massgeblich für meine Liebe zum Film. Man liebt ja nicht nur seine hübschen Kinder.

Ihre neueren Filme, seit «Alles auf Zucker!», leben stark von jüdischem Humor. Was macht für Sie persönlich diesen Humor aus? Da gibt es ja viele Formen, Beispiele, Definitionen, Erklärungen ...
Hm, also ich kann versuchen, das zu umreissen – gar nicht so einfach ...

Fangen wir doch mal so an: Können Nichtjuden jüdische Witze wirklich richtig gut verstehen?
Ja, klar können Nichtjuden die problemlos verstehen. Ich würde sowieso keine scharfe Grenze ziehen zwischen jüdischem und nichtjüdischem Humor. Aber der jüdische Humor liebt es, nicht nur andere, sondern vor allem sich selbst auf die Schippe zu nehmen, seine Gesellschaft, seine Mischpoche – also seine Sippe, seinen Kulturkreis – das ist ein Humor, der sich selber nicht verschont vorm Lachen. Er ist ein Humor, der meiner Meinung nach eine bestimmte Bitterkeit und Traurigkeit hat, er ist oft sehr melancholisch, tiefsinnig.

Gleichzeitig ist er, wie man in Ihrem neuesten Film sieht, oft auch sehr kritisch gegenüber Mehrheitsgesellschaften und subversiv.
Es gibt in ihm einen natürlichen Zweifel an dem, was wir «Realität» nennen. Der jüdische Humor ist paradox und oft auch surreal – in dem Sinne, dass er die Logik auf den Kopf stellt und sich manchmal ganz ins Absurde entwickelt. Und er beinhaltet immer auch eine Auseinandersetzung von unten nach oben: Die Leute, die eigentlich keine richtige Chance haben gegen das herrschende System – sei das die Religion, eine Diktatur oder vielleicht auch nur die Ehefrau –, äussern ihren Widerstand gegen das, was sie einschränkt oder unterdrückt. Das muss aber nicht immer eine Mehrheit sein, es kann auch ein einzelner Rabbiner sein. Der jüdische Humor kann antiautoritär und chaotisch sein.

Inwiefern ist er Teil Ihrer Identität, Ihres täglichen Lebens?
Ich bin sicherlich jemand, der sich mit dem, was er tut, lebt und erlebt, infrage stellt. Aber das klingt jetzt wahrscheinlich verzweifelter, als es ist. Das kann auch sehr gesund und schön sein. Ich gehe ein Stück weit auch gegen mich selbst als Autorität vor, wie in meinem Film.

Sie spielen da ja mit diesen Klischees und Vorstellungen, wenn die «jiddische Mamme» auftritt, der jüdische Regisseur zum Psychotherapeuten geht ...
Ja, das war für mich ein vergnügliches Spiel ...

Gibt es Momente, in denen Sie es vorteilhaft finden, in Deutschland ein jüdischer Filmautor zu sein?
Es gibt sicher den Exotenbonus. Ich habe mir eine Rolle in diesem Land erkämpft, würde ich sagen. Ich glaube, ich werde als jemand wahrgenommen, der eine bestimmte jüdische Haltung hat – und das nicht nur liebevoll, sondern durchaus auch ambivalent, kompliziert und spannungsgeladen. Das sieht man beispielsweise, wenn man die Kritiken über meine Filme liest. Da gibt es schon eine Menge deutsche Reibung, mit mir und meiner Kultur. Ein Teil von mir fühlt sich unverstanden, der andere Teil kämpft mit Spass. Ich sehe mich gerne als Fortsetzung der jüdischen Kultur in Deutschland vor den Nazis. Obwohl es da eine grosse Nähe gab, gab es sicher auch Spannungen. Vielleicht versuche ich auch nur, mein anstrengendes Leben schönzureden.