Durch den Monat mit Guy Krneta (1): Schaffen wir uns als mündige BürgerInnen ab?
Der in Basel lebende Schriftsteller und Theaterautor Guy Krneta will nach der Annahme der Ausschaffungsinitiative den Kampf um die Menschenrechte noch intensiver führen
und gleichzeitig nicht ruhen, ehe Markus Somm als Chefredaktor der «Basler Zeitung» zurücktritt.
WOZ: Guy Krneta, Sie haben sich als Künstler über die Plattform Kunst+Politik stark engagiert im Abstimmungskampf gegen die SVP-Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag. Am vergangenen Sonntag ist die Initiative vom Volk angenommen worden. Sind Sie eher traurig oder wütend?
Guy Krneta: Beides. Dass die SVP vierzig Jahre nach der Schwarzenbach-Initiative immer noch mit dem Wort «Ausländer» Stimmung machen kann, das ist grauenhaft. Das Wort «Ausländer» ist ja noch viel ungenauer als das Wort «Schweizer».
Wenn man sich die Voten zur Schwarzenbach-Initiative heute anhört, hat man den Eindruck, dass da in der Zwischenzeit wirklich überhaupt nichts passiert ist. Nur dass die Schwarzenbach-Initiative abgelehnt wurde und die Ausschaffungsinitiative heute angenommen wird.
Und woran liegt das?
Sicher daran, dass die SVP heute eine viel potentere Partei ist, als es die Nationale Aktion damals war. Dass es dieser Partei gelungen ist, den ganzen rechten Rand aufzusaugen und trotzdem weiterhin als bürgerliche Partei zu gelten. Und dass sie offenbar über unbegrenzte finanzielle Ressourcen verfügt, die sie in flächendeckendes Marketing stecken kann. Wenn man sich vorstellt, was nur schon diese angebliche Befragung im August gekostet hat, die an alle Haushalte ging. Damit hätten wir drei oder vier abendfüllende Spielfilme drehen können.
Kann man die beiden Initiativen wirklich vergleichen?
Im Gegensatz zur Schwarzenbach-Initiative sind die unmittelbaren Folgen vielleicht weniger spürbar. Damals hätten 300 000 Leute das Land verlassen müssen. Heute sind es ein paar Hundert zusätzliche Ausschaffungen von Leuten, die keinen Namen haben, keine Stimme und keine Verankerung in der lokalen Bevölkerung. Die Stimmungsmache richtet sich aber wie damals gegen alle, die keinen Schweizer Pass haben.
Einmal mehr rüttelt die SVP mithilfe eines von ihr besetzten Begriffs, des «Volkswillens», an Grund- und Menschenrechten. Wie lange geht das noch gut?
Ohne unantastbare Grundwerte gibt es keine Demokratie. Menschenrechte sind die Grundlage der Demokratie. Wenn wir die Menschenrechte infrage stellen, schaffen wir uns selber ab als mündige, demokratiefähige und vor der Willkür der Mehrheit geschützte Bürgerinnen und Bürger. Wir haben das Recht, einer Minderheit anzugehören. Wenn wir dieses Recht aufgeben, geben wir die Demokratie auf. Dann können wir gleich russisches Roulette spielen.
Die Diskussion um Grundwerte und Menschenrechte hat bisher aber nicht stattgefunden. Wie wollen Sie das ändern?
Es muss eine starke Bürgerbewegung entstehen, die sich für die Menschenrechte in der Schweiz starkmacht. Dazu gibt es Ansätze, beispielsweise rund um die Solothurner Landhausversammlungen. Etwas vom Wichtigsten, was wir aus dem Wochenende mitnehmen können, ist die Energie, das Empören nicht in selbstzerstörerische Aktionen umzusetzen, sondern kluge Formen zu finden, um einerseits im Konkreten, an einzelnen Orten und in einzelnen Nischen weiterhin aktiv zu sein, uns aber auch als nationale Kraft zu formulieren. Nicht im Sinne einer Partei, sondern als ein starkes Netz von Organisationen und Initiativen, die gemeinsam viele Leute zu mobilisieren vermögen.
Parallel zu Ihrem Engagement im Abstimmungskampf haben Sie Mitte November den Aufruf «Rettet Basel!» mitinitiiert. Sie forderten darin eine SVP-unabhängige Tageszeitung und den Rücktritt von «Basler Zeitung»-Besitzer Tito Tettamanti, Chefredaktor Markus Somm und Berater Christoph Blocher. 18 600 Menschen haben diesen Aufruf bisher unterschrieben, Tettamanti und Blocher sind weg. Mit dem Basler Unternehmer Moritz Suter ist ein neuer Besitzer da. Ziel erreicht?
Nein. Wenn der neue Besitzer Vertrauen will, muss er transparent machen, woher er das Geld für den Kauf der «Basler Zeitung» hat, wer hinter ihm steht und welche Strategie er mit der Zeitung verfolgt. Schliesslich braucht es eine glaubwürdige Chefredaktion, keinen ideologischen Lohnschreiber wie Markus Somm. Somm kann übers Wetter schreiben und landet am Schluss bei der Forderung, dass wir mehr dreispurige Autobahnen brauchen.
Gibt es Alternativen oder Modelle für den Fall, dass die Situation bei der «Basler Zeitung» so bleibt wie jetzt?
Mehrere Privatpersonen aus Basel und Umgebung haben einen Projektkredit gesprochen und die Bachmann Medien AG, die von Ivo Bachmann, einem ehemaligen Chefredaktor der «Basler Zeitung», geführt wird, beauftragt, die Realisierung einer neuen Zeitung für Basel zu prüfen. Diese soll Eigentum ihrer Abonnenten sein und täglich online sowie wöchentlich in gedruckter Form erscheinen.
Bei der Sie mitschreiben?
Ich bin kein Journalist, sondern Theaterautor. Ich möchte lieber früher als später aus der Geschichte herauskommen. Im Moment geht das aber nicht, ich trage ja die Verantwortung für eine Aktion, die ich mitgestartet habe.