Buch: No Sports!

Nr. 6 –


Bodybuilding? Eigentlich kein Thema, das kunstaffine Menschen sonderlich reizt. Doch wenn sich ein gescheiter Kopf wie der deutsche Kunsthistoriker Jörg Scheller, zurzeit Assistent von Professor Beat Wyss am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, mit diesem Thema befasst, dann lockt die Lektüre gleichwohl – zumal der Mann über eine ordentliche Portion Humor verfügt und immer wieder überraschende kulturhistorische Parallelen aufzudecken weiss.

Bodybuilder sind keine Sportler, sondern Bildhauer und Skulpturen in einem – so Schellers zentrale These. Sport sei dabei nur Mittel zum Zweck; das eigentliche Ziel, das der Bodybuilder verfolgt, sei seine eigene Existenz in ein perfektes Kunstwerk zu verwandeln. Nicht die Kraft steht dabei im Vordergrund – sie ist im Unterschied zum Kraftsport lediglich Nebeneffekt –, sondern die Umformung des Körpers zum Bild, zur Skulptur.

Methodisch lehnt sich das Buch an ein exzessives Work-out, den Jahresrhythmus eines Bodybuilders, an: In einer ersten Phase geht es um den Massenaufbau, das sind bei Scheller die Theorien, die sich um den Körperkult ranken. Darauf folgt die Definitionsphase, in der er den historischen Genotyp zu ergründen sucht, die geisteswissenschaftlichen Motive, die hinter dem Bodybuilding stehen. Die dritte Phase ist mit «Pump up» betitelt und ist vollständig dem ersten «Showman» des Kraftsports, Eugen Sandow, gewidmet. In «Posedown» schliesslich geht es um die finale Ausdifferenzierung – im Bodybuilding um diejenige der Körpermasse, in der theoretischen Abhandlung um eine Situierung der Disziplin im Kunstkontext, um die eigentliche Ästhetik des Bodybuildings. Scheller zufolge handelt es sich beim Bodybuilding um eine formalistische Kunst, ein L’art pour l’art am eigenen Körper. Wie der modernistische Künstler, etwa Barnett Newman, strebt der Bodybuilder danach, das Spezifische seines Mediums herauszuarbeiten. Diese Radikalität wird denn auch als Grund dafür genannt, dass sowohl die selbstreferenzielle Kunst als auch das Bodybuilding den Massen fremd und damit eine Art Subkultur geblieben sind.

Jörg Scheller: No Sports! Zur Ästhetik des Bodybuildings. Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2010. 267 Seiten. Fr. 38.90