Atomstrom an der ETH: Lieber Politik als Kaufentscheide!
Mit ihrem Entscheid, künftig wieder Atomstrom zu beziehen, hat sich die ETH Zürich den Protest ihrer StudentInnen und ein Imageproblem eingehandelt. Doch: War der Entscheid nicht vernünftig – wenn man von der symbolischen Dimension absieht? Man kann es so sehen. Denn wer teureren atomkraftfreien Strom kauft, tut das in der Hoffnung, dass dadurch weniger Atomstrom produziert wird. Doch Anlagen mit hohen Fix- und geringen variablen Kosten wie AKWs reagieren kaum auf die Nachfrage: Statt deren Leistung zu drosseln, ist es für die Betreiber wirtschaftlicher, zu gewissen Zeiten Dumpingpreise in Kauf zu nehmen. Und weil amortisierte AKWs auch bei geringer Nachfrage Geldmaschinen sind, wird kein Betreiber sein Werk abstellen, nur weil ein Kunde – und sei es ein grosser wie die ETH – auf Atomstrom verzichtet.
Die ETH sagt, sie wolle das gesparte Geld in die Erforschung erneuerbarer Energien stecken. Wenn das stimmt, finanzieren Atomsubventionen, die den Atomstrom so billig machen, nachträglich die Energiewende mit. Raffiniert.
Ein AKW geht dann «vorzeitig» vom Netz, wenn das politisch verfügt wird. Oder wenn die Aufsichtsbehörde Ensi teure sicherheitstechnische Nachrüstungen verlangt, die den Betrieb unwirtschaftlich machen. Das Ensi, so hat sich gezeigt, reagiert auf öffentlichen Druck. Und deshalb kann man von der symbolischen Dimension eben nicht einfach absehen.
Das Fragwürdige in der Geschichte ist weniger der ETH-Entscheid als das System des Stromlabelings. Dahinter steht die neoliberale Grundidee, die das Politische auf individuelle Kaufentscheide reduziert, weil es «keine Gesellschaft gibt» (Margaret Thatcher). Willst du ein gutes Gewissen? Kannst du haben, aber zahl den Aufpreis! Politisch gedacht wäre anders: Was untragbare Risiken für alle zeitigt, gehört für alle verboten. Für den Rest sollen alle gleich viel bezahlen – statt dass die BezügerInnen von Ökostrom die weniger Skrupulösen quersubventionieren.