«Puppe»: Keine idyllische Bergwelt

Nr. 3 –

Eine Beziehung zweier Mädchen steht im Zentrum von Sebastian Kutzlis Film, der mit Horror- und Thrillerelementen spielt.

Das Langspielfilmdebüt des 1969 in Hamburg geborenen Sebastian Kutzli als Jugenddrama zu bezeichnen, greift zu kurz. Denn das Drehbuch der jungen Autorin Marie Amsler spielt gekonnt auch mit Thriller- und Horrorelementen. Im Zentrum von «Puppe» steht die komplexe Beziehung zwischen den beiden etwa sechzehnjährigen Mädchen Anna (Anke Retzlaff) und Magenta (Sara Fazilat), die auf einer abgelegenen Alp im Wallis in einer Therapiewohngemeinschaft leben.

Unter der Leitung der Therapeutin Geena (Corinna Harfouch) soll Anna, die bis vor kurzem noch im Ruhrgebiet auf der Strasse gelebt hatte, an ein Leben in einer sozialen Gruppe gewöhnt werden. Anna sieht keinen Sinn in ihrem Aufenthalt in der Abgeschiedenheit des Gebirges. Sie reagiert aggressiv auf die wohlmeinenden Bemühungen von Geena, wie auch die korpulente Magenta, die schon länger hier lebt, zuvor im Gefängnis sass und offenbar auf Bewährung entlassen wurde. Magenta hat beschlossen abzuhauen und versucht, Anna zur gemeinsamen Flucht zu überreden. Während Anna hin- und hergerissen ist, entdeckt sie nach und nach die schreckliche Wahrheit über Magentas Vergangenheit, die viel mit ihrem eigenen traumatischen Vorleben zu tun hat.

In kurz aufflackernden Rückblenden evoziert «Puppe» den Horror eines Lebens auf der Strasse, gekennzeichnet von Gewalt, Prostitution und fatalen Abhängigkeiten. Auch wenn es hie und da für einen Erstling typische dramaturgische Schwächen und erzählerische Ungereimtheiten gibt, ist es beachtlich, wie der Film den Schrecken im Innenleben der Mädchen mit dem Leben in der Bergwelt, die alles andere als idyllisch ist, verknüpft. Und die schauspielerische Präsenz der jungen Deutsch-Iranerin Sara Fazilat macht «Puppe» zu einem Ereignis.

Sebastian Kutzli war in Solothurn bereits 2006 mit dem Kurzfilm «Kalte Haut» präsent, und schon dort ging es um eine junge Frau, die aus dem Gefängnis kommt und dann in der Freundschaft mit einer Frau ein schreckliches Geheimnis aus deren Leben vor dem Gefängnisaufenthalt entdeckt. Mit «Puppe» greift Kutzli dieses Grundmotiv nun erneut auf.

Puppe. Regie: Sebastian Kutzli. Schweiz / Deutschland 2011