Novartis in Indien: Patentstreit mit globalen Folgen

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Während die Schweizer Finanzbranche durch grosse, fremde Länder unter Druck gerät, setzt Novartis ganz andere Zeichen. Der Schweizer Pharmakonzern versucht, im grossen, fernen Indien die nationale Patentgesetzgebung anzugreifen und damit nicht zuletzt die indische Pharmabranche unter Druck zu setzen.

Der langjährige Kampf von Novartis gegen Indiens Gesetze tritt nun in die entscheidende Runde: Ab Mitte März wird der Fall am Obersten Gerichtshof Indiens verhandelt. Das Urteil wird weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit von Millionen PatientInnen in ärmeren Ländern auf der ganzen Welt haben. Denn es geht darum, ob Indiens Pharmabranche weiterhin in bisherigem Ausmass günstige Generika produzieren darf. Indien ist weltweit der grösste Lieferant von Generika für Entwicklungsländer und verfügt etwa bei Krebs- und HIV-Medikamenten über einen Marktanteil von mehr als achtzig Prozent.

Ursprünglich ging es nur um das Patent auf ein einzelnes Krebsmedikament. Vor sechs Jahren lehnte das indische Patentamt den Antrag von Novartis auf eine Patentierung des Leukämiemedikaments Glivec ab. Das indische Patentrecht schützt nur Medikamente, die «wirkliche medizinische Innovationen» darstellen. Glivec erfüllte diese Bedingung nicht, da schon ein bereits geschütztes Produkt existierte. Die Entscheidung liess viele Kranke aufatmen: Die Leukämiebehandlung mit Glivec kostet 2600 US-Dollar pro Monat, mit einem Generikum 200 US-Dollar.

Darauf griff das Basler Pharmaunternehmen das Patentgesetz frontal an und klagte vor dem obersten Gericht des südindischen Bundesstaats Tamil Nadu – der entsprechende Gesetzesartikel sei nicht verfassungskonform und widerspreche den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Das Gericht wies diese Klage im August 2007 ab und entschied zudem, dass neu zu patentierende Medikamente auch nachweislich «therapeutisch effizienter», also wirksamer als die Vorgängerprodukte sein müssten.

Vor der höchsten Instanz der indischen Justiz bestreitet Novartis nun die aktuelle Interpretation und Anwendung des Gesetzesartikels. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die für ihre Arbeit auf Generika angewiesen ist, drängt Novartis, die Klage doch noch fallen zu lassen. Kampagnenleiterin Leena Menghaney sagte gegenüber der WOZ: «Die Gefahr besteht, dass das indische Patentamt in Zukunft unter enormen Druck gerät, viele der heute in Indien patentfreien Medikamente ebenfalls zu schützen.» Das Urteil wird bis spätestens September erwartet.

Markus Spörndli