Iranische Filme: Verrenkungen im Passbüro
Filme aus dem Iran setzten am 25. Internationalen Filmfestival Freiburg Höhepunkte. Zwar wird das iranische Kino gegenwärtig international beachtet wie nie – gleichzeitig sind viele Filmschaffende einer bis in den Alltag reichenden Repression ausgesetzt.
Es war einer der emotionalsten Momente am diesjährigen Festival in Freiburg, als am Ende der junge Israeli Ido Fluk für seinen Erstling, das Roadmovie «Never too Late», den Hauptpreis «Le regard d’or» entgegennehmen durfte. Überreicht wurde ihm der Preis von Sepideh Farsi, Filmregisseurin aus dem Iran. Beide leben nicht mehr in ihren Heimatländern – der Israeli in New York, die Iranerin in Paris. Im Ausland und im Kulturbereich ist offenbar möglich, was auf politischer Ebene utopisch scheint.
Den peinlichsten Moment gab es am Vortag. Eine Zuschauerin fragte im Anschluss an die Projektion von «Good Bye», einem ausserhalb des Wettbewerbs gezeigten und heimlich aus dem Iran geschmuggelten Film, den Regisseur Mohammad Rasoulof: «Könnte es nicht sein, dass die imperialistischen Mächte Israel und USA sogenannt unabhängige Journalisten und Filmemacher instrumentalisieren für ihre aggressive Politik gegen die islamische Republik Iran?» Rasoulof souverän: «Ich bin nicht der richtige Mann, um Ihnen zu antworten, denn leider habe ich keine Kenntnis von dem, was sich in den Köpfen von Politikern abspielt – weder in jenen imperialistischer Politiker noch in jenen der iranischen Regierung.»
Wahnwitzige Parcours
Welches Leben viele Menschen, vor allem Frauen, in der Republik Iran zu leben gezwungen sind, zeigt Rasoulofs «Good Bye» in selten gesehener Deutlichkeit. Das 2011 im Iran gedrehte Drama, bei dem Rasoulof neben der Regie auch für Drehbuch und Produktion verantwortlich war, handelt von einer jungen Anwältin. Die Ausübung ihres Berufs wurde ihr untersagt, ihr Mann musste aus politischen Gründen untertauchen, sie ist schwanger und möchte abtreiben. Doch das darf sie nur mit beglaubigter Unterschrift des Ehemanns. So versucht sie auszureisen, um die Abtreibung im Ausland vornehmen zu lassen – doch auch der Antrag auf ein Ausreisevisum bedarf der Zustimmung des Mannes. Nach vielen Irrfahrten hat sie dennoch das Visum in der Tasche. Als aber der Flug verschoben wird, muss sie in ein Hotelzimmer. Das gibt es für allein reisende Frauen nur mit Unterschrift des Mannes …
In statischen Einstellungen erzählt der Film von diesem wahnwitzigen Parcours und schafft trotz niederschmetternder Thematik immer wieder Momente absurder Komik in den oft heimlich gefilmten Szenen. Etwa, wenn Leute im Passbüro nur mittels grotesker Verrenkungen mit dem hinter dem Schalter sitzenden Beamten kommunizieren können – verständigen kann man sich einzig durch ein winziges Loch auf Bauchnabelhöhe.
Rasoulofs eigene Situation ist in gewisser Hinsicht gar nicht so anders als die seiner Protagonistin Noora. Er wurde 2010 zusammen mit seinem berühmteren Kollegen Jafar Panahi verhaftet und ist wie dieser wegen «Propaganda gegen die islamische Republik» angeklagt. Er hatte mehrere Monate im Gefängnis gesessen, ehe er auf Bewährung bis zum Prozess freigelassen wurde. Für die Reise nach Freiburg – erstmals in seinem Leben nahm er die Einladung für eine Festivaljury an – musste er eine Kaution hinterlegen. Zudem wurde kürzlich das House of Cinema, eine Art iranisches Filminstitut, vom Regime geschlossen. Die Chancen, dass es je wieder geöffnet wird, hält Rasoulof für gering. Er selbst befindet sich dadurch wie viele andere unabhängige iranische FilmemacherInnen im luftleeren Raum, denn auch seiner Firma, die Werbefilme produzierte, wurde die Lizenz entzogen.
Eine Frau zwischen zwei Männern
In Freiburg anwesend und im Wettbewerb mit ihrem neusten Film «One. Two. One» vertreten war auch Rasoulofs Landsfrau Mania Akbari. Die 1974 geborene Regisseurin und Videokünstlerin zeigt in ihrem ausschliesslich in geschlossenen Räumen im Iran gefilmten und konsequent aus starren Einstellungen bestehenden, raffiniert und minimalistisch erzählten Film eine Frau zwischen zwei Männern – eine Ungeheuerlichkeit im heutigen Iran. Den Film im Iran zu zeigen, ist derzeit so unmöglich wie die Projektion von Rasoulofs Film – wie aber auch Akbaris Rückkehr in ihr Land. Nachdem ihr siebzehnjähriger Sohn im vergangenen Jahr zweimal wegen «feindlicher Aktivitäten» verhaftet worden war, zog sie es vor, zusammen mit ihm vorläufig im Ausland zu bleiben. Sowohl Rasoulofs wie Akbaris Film haben in der Schweiz keinen Kinoverleih – der eine ist wohl zu düster, der andere formal zu radikal.
Anders sieht es bei zwei anderen in Freiburg gezeigten (Dokumentar-)Filmen iranischer Regisseure aus: «This Is Not a Film», Jafar Panahis absurder Situationsbeschrieb seines Hausarrests, kommt ab 3. Mai 2012 in die Schweizer Kinos, und «The Green Wave», eine animierte Dokumentation des in Deutschland lebenden Iraners Ali Samadi Ahadi über die Niederschlagung der Demokratiebewegung von 2009, läuft im April als Sonntagsmatinee im Zürcher Xenix.