Ausserdem: Mehr Charakter statt blosse Gefälligkeiten

Nr. 31 –

Die Tage vor dem Festival in Locarno sind günstig, um medienwirksam filmpolitische Kurswechsel zu verkünden. Das taten sie alle in den letzten Jahren, die Flair für die politische Selbstinszenierung hatten – von Nicolas Bideau, Leiter Sektion Film des Bundesamts für Kultur bis Ende 2010, mit seinem Diktum von der «Zuschauergunst» als Qualitäts- und Förderkriterium, bis zu Bundesrat Alain Berset mit der längst eingeleiteten, nun aber öffentlich bekundeten Kehrtwende: Nicht mehr Mainstreamfilme sollen primär in den Genuss der Fördergelder kommen, sondern «innovative» und laut Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» «originelle» Filme.

Das Kriterium «Zuschauergunst» war schon zu Bideaus Zeiten dumm: Echte Blockbuster könnte man sich hierzulande auch mit dem Ersparten aus mehreren förderfreien Filmjahren nicht leisten. Und ob ein Film gefällt, lässt sich im Voraus nicht bestimmen. Das zeigen der nationale Erfolg der nur als Fernsehfilm geplanten «Herbstzeitlosen» von Bettina Oberli und der Siegeszug des ungleich unkonventionelleren «Sister» von Ursula Meier ebenso wie der Absturz der prächtigen Neuverfilmung von «Dällebach Kari» durch Xavier Koller.

Doch weit mehr als ein Slogan wie «innovation et originalité», der jetzt offenbar «popularité et qualité» ablösen soll, haben die Misserfolge einiger auf ein breites Publikum getrimmter Filme bewirkt: Man besinnt sich wieder auf die ursprünglichen Stärken des «Schweizer Films» zurück, auf Eigensinnigkeit.

Schweizer Filme können international nur Erfolg haben, wenn sie Charakter zeigen statt Gefälligkeit. Das schliesst die Förderung grösserer Projekte und von Filmen, die auch dem breiteren Publikum gefallen, nicht aus.

Wie das gehen könnte, zeigt Österreich, wo in den vergangenen Jahren – auch dank entschiedener Förderpolitik mutiger Filme – eine unverwechselbare und international erfolgreiche Filmszene herangewachsen ist (vgl. dazu die Beiträge im Ressort Kultur).