Eiszeit: Das Bundeshaus in Gewitter und Nebel
Wenn Andy Strässle nicht als Newsreporter des Schweizer Fernsehens unterwegs ist, schreibt er. Fürs Leben gern. In einem Basler Café erzählt der Autor (und Filmer) mit Jahrgang 1967 von der mechanischen Schreibmaschine in seiner ersten Wohngemeinschaft, von vollgeschriebenen Ordnern auf dem Estrich – und von seinem nächsten Buchprojekt, das bereits in der Pipeline sei.
Strässles drittes Buch, «Eiszeit», kommt im Untertitel selbstbewusst als «Schweizer Polit-Thriller» daher: auf dem Umschlag das Bundeshaus in Bern, eingehüllt in Gewitter und Nebel. Ernst Rächer ist Bundesrat des «Volksbündnisses» und Justizminister. Er politisiert nach seinem eigenen Gusto, was es seinen VasallInnen, allen voran seiner «Strategin» Kristina Mirren, nicht gerade einfach macht.
Rächer hat eine Gattin, Typ bieder-bescheiden, die, koste es, was es wolle, zu ihm hält, und eine Tochter, Typ bodenständig-unweiblich und Chefin der «Dons-Chemie» im Rheintal, die sich endlich von ihrem Alten emanzipieren will. Alles wäre in Butter, hätte Rächer nicht eine (alle Männer betörende) Geliebte, die vorgibt, eine ukrainische Edelnutte zu sein. Die Situation spitzt sich zu, die Lage wird immer unübersichtlicher. Am Ende gibt es Kaltgestellte, einen Angeschossenen – und die grosse Verliererin.
«Eiszeit» bietet ein zwiespältiges Lesevergnügen. Andy Strässle hat zwar Schreibtalent, und seine Begeisterung für das geschriebene Wort ist spürbar. Auch überzeugen seine Schilderung des Medienhypes um die Arbeitsbedingungen in der Dons-Chemie wie auch die Art, wie er die Mechanismen in der Politik und den Groove in der Wandelhalle beschreibt.
Allerdings droht der Spannungsbogen immer wieder in sich zusammenzufallen. Als der Showdown schliesslich eintrifft und sich der Erzählknoten (fast ganz) löst, nervt es nur noch, dass der Autor dem allgemein bekannten Rechtsaussenpolitiker derart viel Zuwendung schenkt.
Andy Strässle: Eiszeit. Schweizer Polit-Thriller. IL-Verlag. 321 Seiten. Fr. 19.20