Bildung: Drei Blöcke für die Kinder

Nr. 46 –

In Zürich wird über die umstrittene Grundstufe entschieden. Ein Wegweiser durch eine komplizierte Abstimmung.

Im Kanton Zürich läuft eine emotionale, teils gehässige Debatte über den Einstieg der Kinder in die Schullaufbahn. Am 25. November wird die Stimmbevölkerung darüber abstimmen, ob die Grundstufe eingeführt werden soll. Die Grundstufe ist ein Schulmodell, das die beiden Kindergartenjahre mit der ersten Primarklasse verbindet. In der Regel dauert sie drei Jahre, der Übertritt in die zweite Klasse kann auch nach zwei oder vier Jahren erfolgen – je nach Entwicklung des Kinds. Die Volksinitiative sieht vor, dass flächendeckend alle Gemeinden die Grundstufe einführen.

Kantons- und Regierungsrat empfehlen ein Nein und haben einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der den Gemeinden die Entscheidung überlässt, ob sie den traditionellen Kindergarten oder das Grundstufenmodell wählen oder sogar beide parallel anbieten, wie das die Kantone Bern und Luzern bereits tun.

350 zusätzliche Stellen

Als Schulversuch existiert die Grundstufe in 27 Gemeinden mit 87 Klassen aber auch im Kanton Zürich seit acht Jahren. Es gibt also Erfahrungswerte, und die sprechen eine eindeutige Sprache: Die beteiligten Schulen ziehen eine ausnahmslos positive Bilanz und möchten auch in Zukunft am Grundstufenmodell festhalten. «Die Grundstufe kann vertiefter auf die grossen Entwicklungsunterschiede und Lernbedürfnisse der Kinder im Alter zwischen vier und acht Jahren eingehen», heisst es sogar im Abstimmungsbüchlein. Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen können innerhalb des Klassenverbands verbleiben.

Im Abstimmungskampf gibt es nun drei Blöcke. Ein überparteiliches Komitee, bestehend aus SVP, GLP, EVP und EDU sowie dem Verband Kindergarten Zürich, lehnt sowohl die Hauptvorlage als auch den Gegenvorschlag ab. FDP, CVP und der Zürcher LehrerInnenverband sprechen sich für den Gegenvorschlag aus, während SP, Grüne, AL, BDP und die Gewerkschaft VPOD die Hauptvorlage unterstützen.

Gegen die Hauptvorlage spricht für beide Gegnerschaften vor allem eines: das Geld. Wird die Grundstufe flächendeckend eingeführt, würden die Kinder häufiger von zwei Lehrpersonen unterrichtet. Rund 350 zusätzliche LehrerInnenstellen müssten geschaffen werden. Den Mehraufwand müssten die Gemeinden (knapp 50 Millionen Franken) und der Kanton (rund 12 Millionen Franken) gemeinsam decken.

Brigitte Fleuti, Präsidentin des Verbands Kindergarten Zürich, nennt einen weiteren Grund, weshalb sie die Hauptvorlage ablehnt: «Besonders für die kleineren Kinder bietet der Kindergarten bessere Strukturen. Zudem haben sich die Kindergärten in den letzten Jahren weiterentwickelt, die Kinder werden genauso individuell und entwicklungsgerecht gefördert wie in der Grundstufe.»

Nachteil aufgrund des Wohnorts

Für den Gegenvorschlag macht sich der Zürcher LehrerInnenverband (ZLV) stark. Aus zwei Gründen, wie ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch sagt: «Im ZLV gibt es Verfechter der Grundstufe, aber auch des Kindergartenmodells – der Gegenvorschlag ist der ideale Kompromiss. Und es ist so möglich, an der Basis Erfahrungen mit verschiedenen Modellen zu sammeln, wodurch eine Schulentwicklung von unten nach oben möglich ist.»

Die Gewerkschaft VPOD bevorzugt «aus pädagogischer Sicht» die flächendeckende Einführung der Grundstufe. Gegenüber dem Gegenvorschlag sieht Felix Birchler, Regionalsekretär für Lehrberufe, die Chancengleichheit damit eher gewährt. «Dadurch, dass sich der Kanton beim Gegenvorschlag nicht an der Finanzierung beteiligen müsste, droht in den finanzschwächeren Gemeinden ein Verzicht auf die Grundstufe. Kinder, die in solchen Gemeinden eingeschult werden, erleiden somit einen Nachteil, einzig aufgrund ihres Wohnorts. Das ist unhaltbar in einem Kanton, in dem ‹Gleiche Rechte für alle› gelten muss.» Der VPOD unterstützt aber auch den Gegenvorschlag. Aus gutem Grund: Werden am 25. November sowohl die Hauptvorlage als auch der Gegenvorschlag abgelehnt, müssten die 27 Gemeinden mit Grundstufe ihr Schulmodell wieder aufgeben. Die Grundstufe wäre im Kanton Zürich Geschichte.