Solarwirtschaft: Wolken vor der Schweizer Sonne
Womit wird die Schweiz Geld verdienen, wenn sie nicht mehr das Sparschwein sein kann, in dem reiche AusländerInnen ihr Geld verstecken? Cleantech hiess eine Alternative: Wir bauen das Land nachhaltig um und nutzen nur noch sauberen Strom.
Doch der Cleantech-Branche geht es elend. Die Solarenergieunternehmen liegen darnieder. Die Pramac, die im Tessin Solarmodule fabrizierte, hat die Produktion eingestellt (über 100 Stellen weg). Meyer Burger in Thun reduziert das Personal in diesem Jahr schon zum zweiten Mal massiv (weltweit insgesamt 720 Stellen fort). OC Oerlikon konnte seine Solartochter an die Tokyo Electron Limited verkaufen (noch keine Entlassungen). Von Roll Solar wurde zugemacht, bevor die Produktion gestartet wurde (zwölf Entlassene). Zwei weitere Grossprojekte in Langenthal (BE) und Raron (VD) wurden beerdigt. Das alles in den letzten Monaten.
Im Dachverband Swissolar sind 500 Solarunternehmen organisiert. Sie erwirtschaften einen Umsatz von 2,4 Milliarden Franken und bieten 12 000 Arbeitsplätze. Insbesondere in der Fotovoltaik, der direkten Umwandlung von Licht- in elektrische Energie, sind die Schweizer Firmen stark. Neunzig Prozent ihres Umsatzes erzielen sie im Ausland.
Dennoch ächzt die Branche – oder gerade deshalb. China hat in kürzester Zeit den Markt auf den Kopf gestellt. Dank billiger Staatskredite sind chinesische Firmen in der Lage, Panels zu einem Preis anzubieten, den man nie für möglich hielt. Kostete die Kilowattstunde Solarstrom vor einigen Jahren etwa einen Franken, kostet sie nun – produziert mit einem chinesischen Panel – noch zwanzig Rappen.
Die USA versuchen, sich mit Schutzzöllen gegen die chinesischen Panels zu wehren. In der EU fordert die Solarbranche ebenfalls solche Zölle.
Und in der Schweiz? Da machen wir uns selbst den Markt kaputt. Der Bund hat ein Fördermodell für erneuerbare Energien geschaffen, das zum Monster mutiert. Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) verspricht einen kostendeckenden Preis für Anlagen, die sauberen Strom bereitstellen. Das Fördergeld kommt zusammen, indem auf jede konsumierte Kilowattstunde 0,9 Rappen erhoben werden. So fliessen jährlich rund 600 Millionen Franken in den KEV-Topf. Das meiste Geld kommt Wasserkraft-, Wind- und Biogasanlagen zugute, die von grossen Energieunternehmen gebaut werden.
Bei den Solaranlagen hat der Bund eine Förderlimite eingeführt, weil er verhindern wollte, dass die Fotovoltaik, die damals so teuer war, sofort alles Geld wegfrisst. Eine KEV-Anlage, die vor vier Jahren erstellt wurde, erhält aus dem Fördertopf denn auch zwischen sechzig und neunzig Rappen pro eingespeiste Kilowattstunde – und das während 25 Jahren. Ein gutes Geschäft. Allerdings profitieren relativ wenige Anlagen davon. Die meisten sind auf einer Warteliste gelandet. Sie kämen nur ans Geld, wenn die Förderbeiträge erhöht würden.
Obwohl sich die Situation fundamental geändert hat und die Bereitstellung von Solarstrom weniger kostet, als man dem E-Werk für eine Kilowattstunde zahlt (20 versus 27 Rappen), regt sich nichts. Der Bundesrat will den Solarstrom weiter blockieren. Immer mit dem Argument, man möge warten, bis die Panels billiger würden. Doch das werden sie kaum mehr.
Derweil wird die Warteliste länger, und die Leute werden frustrierter. Sie wollen bauen, warten aber auf Geld, das nie kommen wird.
Die Fotovoltaikanlagen müssten nicht vergoldet werden, wie das die KEV zurzeit tut. Es bräuchte eine andere KEV, die weniger subventioniert, dafür einen stetigen, jährlichen Zubau an Fotovoltaikanlagen garantiert. Ab sofort, nicht erst in zehn, zwanzig Jahren, wie das der Bundesrat vorsieht. Dann wird die Branche längst ausgehungert sein.
Solarpanels «made in Switzerland» wird es kaum mehr geben. Aber das Geld wird heute ohnehin nicht mit der Herstellung von Panels, sondern mit der Installation der Anlagen verdient. Da warten Jobs, da winkt Wertschöpfung vor Ort. Doch noch wollen die Starken im Stromzirkus vor allem ihre Gaskraftwerke durchmogeln – günstiger Solarstrom stört sie dabei.
Nachtrag vom 20. Dezember 2012 : Private zahlen Energiewende
Der Nationalrat hat am vergangenen Freitag der Wirtschaft ein üppiges Geschenk beschert: Industriebetriebe sollen künftig nur noch einen bescheidenen Beitrag an die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) zahlen. Mit der KEV werden Anlagen subventioniert, die erneuerbare Energie bereitstellen. Zurzeit wird auf jede verbrauchte Kilowattstunde ein Zuschlag von einem Rappen erhoben, um den KEV-Topf zu speisen. Künftig soll dieser Beitrag auf 1,5 Rappen angehoben werden. Etwa 600 energieintensive Betriebe können heute von einer Ausnahmeregelung profitieren und bezahlen pro Kilowattstunde nur 0,45 Rappen. Die Energiekommission des Nationalrats hat nun aber in einer Motion verlangt, ein Grossteil der Industrie müsse von der Reduktion profitieren. Demnach werden künftig 73 000 Betriebe den reduzierten Betrag zahlen, womit die KEV jährlich hundert Millionen Franken verlieren wird. Bundesrätin Doris Leuthard wehrte sich erfolglos dagegen. Die Rechtsbürgerlichen setzten sich mit 95 zu 92 Stimmen durch. Das bedeutet, dass vor allem private Haushalte und kleine Unternehmen die Energiewende werden bezahlen müssen. Links-Grün hätte die Vorlage abschmettern können, hätte es weniger Absenzen und Enthaltungen gegeben.