Durch den Monat mit Kurt Marti (Teil 3): Wie nimmt man Leuten Bauland weg?

Nr. 4 –

Anfang März wird über das Raumplanungsgesetz abgestimmt. Der Gewerbeverband bekämpft die Vorlage heftig, was einiges mit dem Wallis und seinen Politikern zu tun hat, sagt der Journalist Kurt Marti, der ein Buch über den Walliser Filz geschrieben hat.

Kurt Marti am Bahnhof von Brig: «Die Bauzonen pro Kopf sind im Wallis doppelt so gross wie im Schweizer Durchschnitt.»

Herr Marti, warum will das Wallis partout die Landschaft verbauen? Über das Raumplanungsgesetz müssen wir Anfang März ja vor allem wegen der Walliser abstimmen, kamen doch rund die Hälfte der Referendumsunterschriften aus Ihrem Kanton.
Kurt Marti: Die Bauzonen pro Kopf sind im Wallis doppelt so gross wie im Schweizer Durchschnitt. Das ist das Resultat einer jahrzehntelangen grosszügigen Einzonungspolitik. Dabei wurde dem Prinzip gefrönt: Wer hat noch nicht, wer will noch mehr? Diese Art von «Raumplanung» gehörte zum permanenten Wahlkampf der CVP und zur Absicherung ihres 156-jährigen Mehrheitssystems. Für jeden, der sich um Bauland bemühte und sich darüber hinaus politisch brav verhielt, gab es als Geschenk ein Stück Bauland. Dazu ein Beispiel: Ende der neunziger Jahre lebte ich mit meiner Familie im kleinen Dorf Geschinen im Goms. Ich erhob damals gegen die massive Erweiterung der Bauzone Einsprache, die für einen Bedarf von hundert Jahren ausgereicht hätte. Das Raumplanungsgesetz, das jetzt zur Abstimmung kommt, legt eine Begrenzung auf fünfzehn Jahre fest. Anlässlich einer Aussprache mit den Gemeinderäten und dem Raumplaner wurde ich milde belächelt und schliesslich ignoriert. Die gesetzeswidrige Einzonung wurde von der Gemeinde durchgezogen und vom Walliser Staatsrat abgesegnet. So ging das in vielen Walliser Gemeinden.

Es müsste also sehr viel Land wieder ausgezont werden?
Ja. Der Kanton sperrt sich jetzt dagegen und verlangt eine Extrawurst. So ist das Staatsverständnis hier seit der Gründung des Bundesstaats: Der Bund soll ruhig Gesetze machen; wenn man davon profitieren kann, wendet man sie gerne an, sonst verlangt man eine Sonderregelung oder ignoriert sie. Aber in einem Rechtsstaat haben überall dieselben Regeln zu gelten. Übrigens: Es ist kein Wunder, dass der Schweizerische Gewerbeverband eine heftige Kampagne gegen die Revision des Raumplanungsgesetzes fährt.

Wieso?
Im Vorstand des Gewerbeverbands sitzt der Walliser CVP-Ständerat Jean-René Fournier, der als ehemaliger Walliser Staatsrat für die Walliser Raumplanung verantwortlich war. Mit dem Referendum gegen die Revision des Raumplanungsgesetzes versucht er jetzt, seine politischen Versäumnisse auszubügeln. Die Walliser Raumplanung war jahrzehntelang praktisch inexistent. Dieser Meinung war übrigens vor drei Jahren sogar die neoliberale Denkfabrik Avenir Suisse, die der Walliser Raumplanung ein vernichtendes Zeugnis ausstellte.

Nochmals zur Auszonung: Wird das überhaupt durchsetzbar sein?
Viele Walliser Landbesitzer könnten sogar davon profitieren. Mit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative verliert ihr Bauland massiv an Wert. Das revidierte Gesetz sieht allerdings vor, dass die Bodeneigentümer entschädigt werden, wenn ihr Land ausgezont wird. Das ist vermutlich das Beste, was ihnen passieren kann: Sie erhalten eine Entschädigung für Land, das sie in absehbarer Zeit gar nicht verkaufen könnten.

Doch im Moment hoffen noch die meisten, dass die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative möglichst viele Schlupflöcher bieten wird.

Zurück zu Ihrem Beruf als Journalist. Heute arbeiten Sie als Freelancer und als Teilzeitredaktor der Onlinezeitung «Infosperber». Gestandene Journalisten publizieren auf dieser Seite gratis. Machen Sie damit nicht Medienschaffenden Konkurrenz, die vom Schreiben leben?
Nein, wir sehen uns beim «Infosperber» nicht als Konkurrenz zu den dominierenden Medien, sondern als deren Ergänzung. Unser Motto lautet: «Infosperber» sieht, was andere übersehen. Unser Ziel ist es, die oftmals PR-getriebene Information anderer Medien zu unterlaufen und so einen Beitrag zur kritischen Öffentlichkeit zu leisten. Zum Beispiel hat bei «Infosperber» die sonst vernachlässigte Medienkritik einen hohen Stellenwert, ebenso die Kritik an der Energiepolitik oder der Pharmabranche.

Wie organisiert sich «Infosperber»?
Es gibt eine fünfköpfige Redaktionsleitung, die sich im Tagesdienst abwechselt. Wir arbeiten alle von zu Hause aus. Ich bin jeweils an zwei Tagen pro Woche für die Redaktionsleitung zuständig, das heisst, ich redigiere Artikel, schalte sie online und schreibe auch selber Beiträge. Neben den Mitgliedern der Redaktionsleitung schreiben rund vierzig Journalisten und Experten für «Infosperber». Viele von ihnen sind pensionierte Mitarbeiter von Zeitungen, Radio und Fernsehen.

Verdient «Infosperber» Geld?
Hinter «Infosperber» steht die gemeinnützige Schweizerische Stiftung zur Förderung unabhängiger Information. Das aktuelle Budget decken wir vor allem mit Spenden. Hinzu kommen Einnahmen aus der Werbung, deren Anteil noch ausbaufähig ist. In diese Richtung weist jedenfalls die stark steigende Tendenz der Besucherzahl, die sich letztes Jahr im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat.

Kurt Marti (52) war von 2000 bis 2010 Redaktor der «Roten Anneliese». Heute ist er freier Journalist und Mitglied der Redaktionsleitung der Internetzeitung «Infosperber». Im vergangenen Herbst ist im Rotpunktverlag sein Buch «Tal des Schweigens. Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz» erschienen.