Der Frauentag und der Vatikan: Wenn es dort geht, geht es überall
Auf der Suche nach alternativen Strategien: Gedanken einer feministischen Theologin vor dem 8. März und der Papstwahl in Rom, bei der einige ältere Herren im Konklave auch über die Zukunft vieler Frauen in der Welt entscheiden.
Der Vatikan ist ein überdeutliches Beispiel für ideologischen und praktischen Sexismus. Den Endpunkt der Messlatte teilt er sich mit einigen islamistischen Regierungen. Die Allianz von Vatikan und islamistischen Staaten trat gegen Frauenrechte, speziell gegen das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, an mehreren Weltkonferenzen auf, so auch an der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo und der Weltfrauenkonferenz in Beijing. Die alten Männer in Rom glauben, genau zu wissen, was die Natur «der Frau» ist und was ihre angemessene Stellung in der Welt. Ihr Wissen, dass Frauen auf keinen Fall zur Schlüsselfunktion, dem Priesteramt, zugelassen werden dürfen und dass Frauen nicht über ein qualifiziertes Gewissen verfügen, das sie zur Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung befähigt, bekräftigen sie regelmässig, ohne eine einzige Frau in ihre Beratungen einzubeziehen.
Wieso zum Teufel dann am 8. März, dem höchsten feministischen Feiertag, ein Beitrag über die katholische Kirche? Nur weil die grauen Herren gerade die Köpfe zusammenstecken, um einen der Ihren zum grauen Oberherren zu machen?
Möglicherweise lässt sich am Bild und an der Realität der Frauen in der katholischen Kirche etwas Grundsätzliches lernen über Strategien des Widerstands. Etwas über die feinmotorischen und fein vernetzten Verschiebungen, die Veränderungen ankündigen oder ermöglichen. Macht löst sich nicht selbst auf, das wäre gegen die Schwerkraft. Machthabende Cliquen geben niemals freiwillig ihre Privilegien auf zugunsten derer, die von der Macht ausgeschlossen sind. Die Macht der Cliquen beruht schliesslich auf dem Ausschluss der anderen.
Im Fall der katholischen Kirche haben die Ausgeschlossenen die Wahl, auszutreten und auf die machthabende Clique zu pfeifen. Damit sind Frauen in der Kirche in einer sehr viel besseren Lage als viele andere Marginalisierte, denen es nicht freisteht, einfach das System der Unterdrückung zu verlassen. Es gibt zahlreiche überzeugende Gründe zu gehen. Wenn eine trotzdem bleibt, kann der Grund dafür Judy Chicagos Satz sein: «Unser Erbe ist unsere Macht.» Chicago meint damit die roten Fäden des Widerstands im Gewebe der Frauenunterdrückung, derentwegen der ganze Teppich nicht weggeworfen wird.
Parteinahme für die Ärmsten
Es ist unter Umständen interessanter, statt einer umfassenden moralischen Verurteilung des ganzen Systems den Blick auf die Details zu richten. Dazu ein Beispiel: Frauenorden sind unter anderem auch unbürgerliche Frauenzusammenhänge, die sich nicht über Ehe und Familie, nicht über Besitz und nicht über Beziehung zu den Mächtigen im Staat definieren. Das kann ein Stück Freiheit sein. Frauenorden haben als Erste überhaupt Mädchenbildung betrieben. Befreiungstheologinnen unter den Ordensfrauen haben sich immer wieder für Frauen in Favelas und Slums und deren Recht auf Schwangerschaftsabbruch eingesetzt.
Ivonne Gebara, brasilianische Ordensfrau, ist eine der Frauen, die in ihrer persönlichen Geschichte kirchliche Zensur erfahren haben. 1994 wurde ihre Publikation über frauenrelevante Themen wie Abort, Theologie und anderes vom Vatikan zensuriert, schreibt der Journalist Hugo José Suárez im Januar 2011. Sie hat, wie andere BefreiungstheologInnen auch, den Maulkorb akzeptiert, weil sie den Schutz der katholischen Kirche bewahren wollte für Menschen in ihrer Community, die ohne dieses internationale Fenster zur Welt Übergriffen noch stärker ausgeliefert wären. Über die Frage der Weihe von Frauen zu Priesterinnen sagt sie: «Die Kirche muss nicht ihre Haltung zur Frauenordination ändern, sondern ihr Konzept, es gebe verschiedene Weisen, ein Mensch zu sein, sie muss beginnen, die Beziehungen zu ändern, die Inhalte und Aktionen. Die katholische Hierarchie ist sehr konservativ in den Themen Abtreibung, Sexualität, Verhütung und allem, was den Körper betrifft. Das Priestertum der Frau ist nicht existenziell, sondern die Anerkennung ihres Rechts zu denken, zu handeln, Leitung zu übernehmen, über andere Dinge zu sprechen als Männer.»
Mit dieser Parteinahme für die ökonomisch ärmsten Frauen betreiben Ivonne Gebara und zahlreiche Mitschwestern das Kerngeschäft der Befreiungstheologie und stehen in der Tradition der alten Kirche, in der Privateigentum als Folge der Erbsünde betrachtet wurde und das gerechte Teilen der Ressourcen als zentrales Merkmal der frühen christlichen Gemeinschaften galt. Der Widerstand dieser Ordensfrauen wächst aus ihrem Zusammenschluss zu starken Gemeinschaften, von denen aus sie öffentlich und unübersehbar Ziele verfolgen, ohne in vorauseilendem Gehorsam auf die Gegenmacht zu schauen.
Der Katakombenpakt
Ein weiteres Beispiel: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) hat die katholische Kirche aus dem Mittelalter ins 20. Jahrhundert zu bringen versucht. Der Aufbruch ist in wesentlichen Teilen noch längst nicht umgesetzt. Die Diskussion über die Weihe von Frauen wurde verboten, nachdem Papst Paul VI. 1963, nach dem Tod von Johannes XXIII., das laufende Konzil übernommen hatte. Aber es gab einen Zusammenschluss progressiver Bischöfe, den Katakombenpakt, der sich an urkirchlichen Gleichheitstraditionen orientierte. Die Bischöfe des Katakombenpakts verpflichteten sich, auf jegliche Machtsymbole und auf Reichtum zu verzichten. Ausserdem weihten sie während des Konzils eine Ordensfrau zur Diakonin.
Es gibt geweihte katholische Priesterinnen, die zur Zeit des Kalten Kriegs mit Einverständnis des Vatikans in osteuropäischen Gefängnissen als Seelsorgerinnen tätig waren. Nur will mann heute davon nichts mehr wissen. Es gibt von Bischöfen widerrechtlich, aber gültig geweihte Priesterinnen wie Ida Raming, die schon während des Konzils als Aktivistin für die Frauenordination tätig war. «Rom» erkennt sie nicht an, aber es gibt sie. Das spricht dafür, Fakten der Veränderung einfach zu schaffen. Und Bündnisse zu schliessen mit aufgeklärten, wohlwollenden Personen aus dem Establishment wie den erwähnten Bischöfen. Wer es für lohnend hält, das Gewebe zu verändern, könnte also erkunden, welcher Faden locker ist.
Konkret träumen
Wie könnte zukünftige Veränderung in der katholischen Kirche aussehen? Wenn sich in der katholischen Kirche die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen ändern lassen, dann geht es wohl überall. Auf Veränderung durch die Papstwahl zu hoffen, ist wohl aussichtslos, auch wenn es ein Papst aus dem Trikont wäre. Dazu Mary Hunt, feministische katholische Theologin und Kodirektorin der Women’s Alliance for Theology, Ethics and Ritual (Water) in Maryland in ihrem Blogbeitrag «Smoke Gets in Your Eyes» auf der Website der Feminist Studies in Religion im Februar: «Das Patriarchat wird im nächsten Monat eine unglaubliche kostenlose mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil die römisch-katholische Kirche das Papstblatt neu mischt. Feministische FreundInnnen fragen mich, warum ich mich um solche Dinge sorge. Ich sage, dass die Kontrolle von Frauen über ihre Geburten auf dem Spiel steht und dass einige junge Leute aus der Queerbewegung Suizid begehen werden wegen des Auflaufs. Missbrauchsüberlebende leben mit den Konsequenzen von Taten, die von Priestern begangen wurden und von diesen Bischöfen, Kardinälen und nun Päpsten vertuscht wurden. Der männliche Anspruch in der Welt, einschliesslich der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, wird getauft und bestärkt durch dieses Symbolsystem. Der beste Umgang damit ist, die Diskussion umzulenken und stattdessen auf das zu fokussieren, was die Welt wirklich braucht, ökonomisch, ökologisch und sozial. Stellt euch eine Milliarde Leute vor, die wirklich ermächtigt sind, Gerechtigkeit zu bewirken. Wir könnten einen realen Unterschied bewirken. Ich stelle mir vor, dies sei das Ende des Papsttums, wie wir es kennen.»
Weltweit gibt es eine Milliarde KatholikInnen. Die Veränderung wird eher nicht von oben kommen, sondern von anderen Orten. Anknüpfungspunkte sind zum Beispiel brasilianische BefreiungstheologInnen in der Landlosenbewegung, die halfen, Bagger und Panzer aufzuhalten. Ein Bischof als menschliches Schutzschild in Bagdad hätte es dem US-amerikanischen Militär sicher schwerer gemacht, den Irak anzugreifen. Kirchenmitglieder, die massenhaft ihre Pässe verbrennen aus Solidarität mit den Sans-Papiers, wären ein starkes Zeichen. Vieles ist möglich.
Es braucht präzise Vorstellungen, was sich wie verändern soll und wie das Ziel aussehen könnte. Ob innerhalb oder ausserhalb der Kirchen: Wir müssen konkret träumen.
Dorothee Wilhelm ist feministische katholische Theologin.