Asylabstimmung: «Wir sind nicht verweichlicht»
Der Abstimmungskampf ist lanciert: Die CVP kämpft für die Asylgesetzrevision, die CVP-Frauen dagegen. Deren Präsidentin Babette Sigg Frank sieht keinen Geschlechterkonflikt. Ihr liegt besonders das Botschaftsasyl am Herzen.
WOZ: Frau Sigg Frank, sind Sie zufrieden mit dem heutigen Schweizer Asylgesetz?
Babette Sigg Frank: Nein, ich bin der Meinung, dass es reformbedürftig ist. Die Verfahren dauern zu lange. So verbleiben Asylbewerber lange im Ungewissen. Ausserdem steigen durch langwierige Verfahren auch die Kosten.
Ein gutes Asylverfahren braucht Zeit, zum Beispiel wenn Dokumente im Ausland beschafft werden müssen.
Das geht bestimmt auch in kürzerer Zeit. Gewisse Verfahren ziehen sich einfach zu lange hin. Zudem ist der Schweizer Staat nie verlegen darum, bei Bedarf zusätzliche Stellen zu schaffen. Effizientere Vorgänge könnten nicht schaden und sind auch im Interesse der Asylsuchenden.
Die Revision hat unter anderem zum Ziel, die Verfahren zu vereinfachen und zu verkürzen. Also ganz in Ihrem Sinn. Trotzdem stellen sich die CVP-Frauen dagegen.
Wir haben die ganze Vorlage geprüft und sind in einer demokratischen Abstimmung zur Entscheidung gekommen, die Revision in dieser Form nicht zu unterstützen. Die Änderungen greifen zu kurz und sind beispielsweise sehr spezifisch auf eine Gruppe Asylsuchende ausgerichtet: Wegen der grossen Anzahl der eritreischen Flüchtlinge soll die Verweigerung des Militärdienstes als Fluchtgrund abgeschafft werden. Dabei geht vergessen, dass davon auch Flüchtlinge aus zahlreichen anderen Ländern betroffen sind. Am allermeisten stört uns aber, dass den Flüchtlingen die Möglichkeit genommen wird, noch in ihrem Herkunftsland auf der Schweizer Botschaft einen Antrag auf Asyl zu stellen. Dies ist für Menschen, die wirklich verfolgt werden, die sicherste Möglichkeit, in der Schweiz Schutz zu erlangen.
Ihre Mutterpartei wird die Revision nicht nur unterstützen, sondern sogar als Zugpferd der Befürworter in den Abstimmungskampf ziehen. Gibt das Streit?
Es schadet doch keiner Mittepartei, wenn ihre Mitglieder unterschiedlicher Meinung sind. Rechte und linke Positionen sind in der CVP von jeher breit gefächert. Da haben alle Meinungen Platz. Deshalb sind wir noch lange nicht zerstritten. Wenn wir uns als CVP-Frauen aber keine eigene Meinung mehr leisten dürften, könnten wir uns sogleich auflösen.
Kein Streit, aber ein Geschlechterkonflikt?
Überhaupt nicht. Das Geschlecht hat nichts mit unserer politischen Position zu tun. Wir hören auch oft, Frauen seien verweichlicht und dies zeige sich im Umgang mit den Asylbewerbern. Das ist Unsinn.
Zumindest in dieser Frage geben sich Männer wie Christophe Darbellay deutlich härter im Umgang mit Flüchtlingen. Nicht gerade christlich für den Präsidenten der Christlichdemokratischen Volkspartei.
Diese Debatte hat mit christlich sein oder nicht wenig zu tun. Grundsätzlich finde ich es störend, dass die CVP immer noch mit einer religiösen Haltung in Verbindung gebracht wird. Die Partei hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir sind längst nicht mehr die Partei der Katholiken. Im Gegenteil: Ich selbst bin reformiert wie viele andere Mitglieder dieser Partei auch. Andere Parteien nehmen ebenfalls für sich in Anspruch, eine christliche Politik zu betreiben. Bei dieser Vorlage geht es mir vor allem um die Menschen, die gerechtfertigt Asyl suchen. Ich bin der Meinung, dass es eine Stärke und die Pflicht der Schweiz ist, den wirklich Verfolgten Schutz zu bieten.
Mainstream-CVPler bezeichnen etwa das Botschaftsverfahren als veraltet und argumentieren damit, dass es so etwas in kaum einem anderen Land mehr gibt.
Das heisst doch noch lange nicht, dass es die Schweiz auch abschaffen muss. Es ist und bleibt der beste Weg für diejenigen, die wirklich in Not sind und verfolgt werden.
Und die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge, von denen Herr Darbellay so gerne spricht?
Es sind längst nicht alle Menschen, die in der Schweiz Zuflucht suchen, Wirtschaftsflüchtlinge. Natürlich gibt es im Asylwesen – wie an vielen anderen Orten – Missbräuche. Die vorliegende Revision bietet hier leider keine Lösung, denn Abschreckung nützt nichts. Wir schaden bloss erheblich den wirklich Verfolgten.
Nächste Woche fasst die CVP-Delegiertenversammlung die Parole für die Abstimmung. Sehen Sie eine Chance, die Parteibasis von einem Nein überzeugen zu können?
Nein, das werden wir nicht können. Unsere Haltung ist innerhalb der CVP nicht mehrheitsfähig. Die Basis wird der Vorlage wohl zum grossen Teil zustimmen.
Dann bleibt Ihnen nichts mehr anderes übrig, als sich dem linken Gegenkomitee anzuschliessen?
Das ist nicht in unserem Sinn. Grundsätzlich sind wir zwar für Allianzen zu haben, was wir in der Vergangenheit immer wieder gezeigt haben, sei es bei der Waffenschutzinitiative oder aktuell bei der Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache». Bei dieser Abstimmung belassen wir unser Engagement bei der Nein-Parole.