Editorial: Irgendwo beginnen, immer wieder von neuem

Nr. 18 –

«Es kommt nur darauf an, irgendwo zu beginnen, nicht, am Anfang zu 
beginnen: da es ja keinen Anfang gibt.»

Der Satz von Ludwig Hohl ist einer dieser denkwürdigen Sätze, die 
der überaus widerspenstige Schweizer Schriftsteller in seinen «Notizen» 
hinterlassen hat (vgl. Stefan Howalds Beitrag «Einsam denkt der Schriftsteller im Notizengebirge» ). Ein Satz, der 
wunderbar zum Thema dieser Literaturbeilage passt – gerade auch, 
weil er den Anfang so beiläufig infrage stellt. 
Warum aber über Anfangen reden, wenn ebendieser Anfang nur 
ein Hilfskonstrukt des menschlichen Geistes sein soll – ein hilfloser Versuch, Ordnung in die Unordnung zu bringen und eine Kausalität 
zu rekonstruieren, wo es gar keine Ursache gibt?

Hohls Satz lässt sich aber auch so lesen: trotzdem zu beginnen. 
Und zwar irgendwo – selbst oder gerade weil es keinen Anfang gibt. 
Worin aber besteht denn der Unterschied zwischen dem Beginnen 
und dem Anfangen? In der Arbeit zu dieser Literaturbeilage, die das Thema des «Anfangens» aufgenommen hat, das sich die diesjährigen Solothurner Literaturtage auf die Fahnen geschrieben haben, 
hat sich gezeigt: Man kann ganz schön über etwas sinnieren, das 
es allenfalls gar nicht wirklich gibt.

Zum Beginnen gehört auch das Debütieren. Und so hat sich Lennart Laberenz in Berlin durch Prosaerstlinge aus der Schweiz gelesen, derweil Bettina Spoerri,
 die designierte Leiterin der Literaturtage, Auskunft gibt über den Neubeginn in Solothurn, der sich schon dieses Jahr in Form von
 neuen Formaten und Initiativen ausdrückt.

Thomas Meyer gibt in seinem Essay zu bedenken, dass die Schwierigkeit oft viel weniger im Anfangen liegt – sondern vielmehr im Aufhören, 
um überhaupt beginnen zu können. Oder gar: dass Anfangen selbst 
immer schon Aufhören ist. Und Friederike Kretzen wagt 
sich an die alten Fragen heran – ausgehend vom Verdacht, «dass Anfänge 
ganz woanders zu finden sind, als wir annehmen»: Fragen wie zum Beispiel, ob Sprache je überhaupt angefangen hat – und Anfänge etwas mit Liebe zu tun haben könnten. Es sind schöne Fragen. Solange wir sie nicht in abschliessende Antworten umwandeln, bleiben sie uns in ihrer Schönheit erhalten – indem wir sie immer wieder 
von neuem stellen.

Ein Wort zu den Bildern: WOZ-Fotografin Ursula Häne hat Bettina 
Spoerri, Thomas Meyer und Friederike Kretzen sowie die DebütantInnen Pascal Ruf, Franziska Häny und Jolanda Piniel an Orten 
aufgesucht, die in ihren Texten einen Anfang situieren oder für ihr Schreiben und Denken eine Initialwirkung haben.