Kost und Logis: Monokulturen imitieren
Die Problembären unter den Pflanzen
Auf beiden Seiten meines Gartens wächst er, streckt seine Triebe über den Hag und wartet nur darauf, dass er sich auch bei mir ausbreiten kann: der Japanische Staudenknöterich. Einst als Zierpflanze in Europa eingeführt, macht er längst, was er will. Wo man ihn lässt, wächst bald nichts anderes mehr. Im Winter, wenn die Stängel absterben, bleibt nur die nackte Erde übrig, damit sind solche Orte stark erosionsgefährdet. Ganze Bahndämme kommen ins Rutschen – die Kosten, die der Japanische Staudenknöterich in der EU jährlich verursacht, werden auf rund 2,8 Milliarden Franken geschätzt.
Der Knöterich gehört zu den sogenannten invasiven Neophyten: Pflanzen, die von Menschen beabsichtigt oder unbeabsichtigt an einem Ort eingeführt wurden, den sie aus eigener Kraft nicht erreichen könnten, und sich dort enorm verbreiten. Auch die Kanadische Goldrute und das Drüsige Springkraut gehören dazu. An vielen Flussufern dominieren im Spätsommer nur noch zwei Farben: Dunkelgelb (Goldrute) und Rosa (Springkraut).
Ist das schlimm? Manche halten die Umweltverbände, die vor Neophyten warnen, für hysterisch, sogar rassistisch. Allerdings geht dabei vergessen, dass der heutige Zustand in der Schweiz das Resultat einer dauernden Bekämpfung ist: BäuerInnen, Zivildienstleistende und Staatsangestellte tun wochenlang nichts anderes, als Neophyten auszureissen. Wie es sonst aussähe, zeigt sich an Flüssen in Osteuropa, wo das Geld für die Bekämpfung fehlt: alles nur noch dunkelgelb und rosa, Kilometer um Kilometer. Auch an Bahndämmen dominieren oft wenige invasive Arten wie Götterbaum und Robinie. Die Wildpflanzen scheinen auf groteske Weise menschengemachte Monokulturen zu imitieren.
Dass das andere Pflanzen (und von ihnen abhängige Tiere) gefährdet, liegt auf der Hand. Weltweit gelten invasive Arten – Pflanzen und Tiere – als eines der grössten Risiken für die Biodiversität. In Neuseeland ist wegen Ratten und Mäusen, Katzen, Hunden und anderen eingeführten Tieren bereits die Hälfte der nur auf der Insel heimischen Vogelarten ausgestorben. In Nordamerika überwuchert und erstickt Kudzu, eine japanische Kletterpflanze, ganze Wälder.
Der Vorwurf des Rassismus greift also zu kurz. Aber ein sorgfältiger Umgang mit Sprache ist bei diesem Thema ratsam. Wer vom «Krieg gegen gebietsfremde Eindringlinge» spricht, begibt sich aufs Glatteis. Oder zieht die falschen Leute an: Vor einigen Jahren rief eine SVP-Lokalsektion zum gemeinsamen Pflanzenausreissen auf. Illustriert war der Aufruf mit dem Bild einer Goldrute – allerdings der falschen: Es war die Gewöhnliche Goldrute, weder Neophyt noch invasiv. Wenn Leute nur aus ideologischen Gründen Neophyten bekämpfen wollen, kommt halt nichts Gutes dabei heraus.
Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.