Spanien: Kinobesetzung mit WOZ-LeserInnen

Nr. 24 –

So schnell kann Theorie in Praxis, Anschauung in Handeln umschlagen: Letzte Woche hörten die TeilnehmerInnen der WOZ-LeserInnenreise nach Barcelona viele Erzählungen von ZeugInnen aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs und des Widerstands gegen das Franco-Regime. Kaum war die Reise zu Ende, setzten vier WOZ-LeserInnen, die noch in Barcelona geblieben waren, das Gehörte in die Tat um – und besetzten am Samstag mit über 800 Indignados («Empörten») den Palacio del Cine, ein Kino in der Via Laietana, das seit 2001 nicht mehr genutzt wird. Auf die Aktion hatte die Franco-Widerstandskämpferin und WOZ-Reise-Referentin Rosario Cunillera aufmerksam gemacht, die seit Jahren bei den Iaioflautas engagiert ist, der SeniorInnenabteilung der Indignado-Bewegung.

Die Besetzung war vorbereitet gewesen: Am Gebäude wurde der Name «Cinema Patricia Heras» aufgeklebt, die Iaioflautas schirmten mit ihren gelben Westen die Protestierenden von der Polizei ab, und im Saal wurde der Dokumentarfilm «Die Wahrheit über 4F» uraufgeführt. 4F steht für die Ereignisse am und nach dem 4. Februar 2006, als während einer Party aus einem besetzten Haus in der Strasse Sant Pere Més Baix ein Blumentopf flog, der einen Polizisten schwer verletzte. Wer den Topf warf, konnte nie ermittelt werden. Dennoch nahm die Polizei neun Jugendliche fest, obwohl einige nicht im Haus gewesen waren, und misshandelte sie. Vier wurden schliesslich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Während des Prozesses 2008 liess das zuständige Gericht entlastendes Beweismaterial nicht zu und stützte sich allein auf die Aussagen von zwei Polizisten; am Ende des Revisionsverfahrens 2009 erhöhte der Gerichtshof von Katalonien sogar noch das Strafmass. Jetzt liegt der Fall vor dem spanischen Verfassungsgericht. Die beiden Polizisten sitzen mittlerweile wegen Vortäuschung einer Straftat und Falschaussage in einem anderen Fall selbst hinter Gittern. Patricia Heras, eine der Verurteilten, beging im April 2011 Selbstmord.

Die Besetzung des Kinos, die landesweit für Schlagzeilen sorgte, war nach 24 Stunden zu Ende; die Polizei blieb diesmal friedlich.