Fussball und andere Randsportarten: Sechs Jahre lang nur Heimspiele

Nr. 25 –

Die Verfeinerung der Balltechnik auf engstem Raum.

Das Männergefängnis von Barcelona erhielt bei seiner Einweihung im Jahr 1904 den Namen Cárcel Modelo. Es steht im Bezirk Eixample, wo unter anderem auch die berühmte Basilika Sagrada Família zu bewundern ist. Im Volksmund wird der alte Knast bis heute Modelo genannt, obwohl niemand zu sagen weiss, wofür eine derartige Strafanstalt noch modellhaft sein könnte. Das Gefängnis ist chronisch überbelegt, von Ratten und Läusen geplagt und baulich in üblem Zustand. Trotzdem wird es weiter betrieben, da sich der geplante Neubau ausserhalb des Stadtzentrums seit Jahren verzögert. Zurzeit sitzen im Modelo gegen 1600 Gefangene ein. Die Zellen müssen sich jeweils vier bis acht Insassen teilen. Im Innenhof gibt es einen kleinen Hartplatz, der für sportliche Aktivitäten wie Basketball oder Fussball genutzt werden kann.

Dies alles sei hier nur deshalb erwähnt, weil Barcelona nicht bloss über ein berüchtigtes Gefängnis, sondern auch über einen weltberühmten Fussballklub verfügt. Und da der unbestrittene Star dieses Fussballklubs, der Argentinier Lionel Messi, offenbar viele Millionen an Werbeeinnahmen am Steueramt vorbeigemogelt hat, droht ihm nun eine mehrjährige Haftstrafe. Für Vergehen seiner Grössenordnung könnten ihn die Richter zu bis zu sechs Jahren Gefängnis verurteilen, war dieser Tage zu lesen.

Wir Gutgläubigen, die nicht verstehen können, dass eine Lichtgestalt wie Messi ein ganz banaler Steuerbetrüger sein soll, hoffen noch immer, dass sich die Nachricht als Irrtum entpuppt. Für den Fall, dass doch etwas dran sein sollte und dass die Nummer zehn des FC Barcelona tatsächlich eine Weile einsitzen muss, erwartet ihn jedenfalls kein gefreutes Domizil. Der Gefängnishof mit dem Sportfeld ist eng und schattig. Kein Ort für einen wie Messi, der sich bis vor wenigen Wochen über den Lärm seiner NachbarInnen beklagte, bis er keinen andern Ausweg sah, als das Haus der lärmenden AnwohnerInnen zu kaufen. Danach hatte der Star für kurze Zeit seinen Frieden.

Doch seit den Nachrichten über den mutmasslichen Steuerbetrug ist es mit der Ruhe vorbei. Experten erklären in Wirtschaftsmagazinen das komplizierte Konstrukt, mit dem es Lionel Messi schaffte, seine Werbeeinnahmen so hin und her zu verschieben, dass sich ihre Spur beinahe verloren hätte. Die Geldtransfers sind noch viel schwieriger nachzuvollziehen als Messis raffinierte Spielzüge auf dem Rasen.

Falls Messi seine sportlichen Aktivitäten bald tatsächlich in den Innenhof des Modelo verlagern muss, hätte dies immerhin ein paar Vorteile: Die Mitgefangenen würden ihn beim Mannschaftenmachen immer als Ersten wählen. Durch das Spiel auf engstem Raum könnte er seine bereits beachtliche Balltechnik bestimmt noch verfeinern. Und vielleicht ist es in Spanien ähnlich wie in der Schweiz, wo manches Gefängnis ein eigenes Fussballteam im Firmenfussball anmeldet, das dann allerdings in der jeweiligen Firmenmeisterschaft aus nachvollziehbaren Gründen nur Heimspiele austragen darf.

Der Barcelona-Star ist erst 26 Jahre alt. Kehrte er in sechs Jahren in die Freiheit zurück, könnte er bestimmt noch die eine oder andere Saison auf höchstem Niveau bestreiten. Gestählt durch das Training im Knast und die ständigen Heimspiele, wäre er dann noch besser und noch härter, als er es heute schon ist.

Viel eher ist freilich anzunehmen, dass sich Lionel Messis Steuerprobleme auf andere Art lösen lassen. Er wird den Untersuchungsbehörden erklären, er habe von seinen Steueraffären nichts gewusst und er verstehe ohnehin wenig von finanziellen Finessen und fiskalischen Finten. Die Richterinnen und Richter werden ein Einsehen haben. So dürften im Innenhof des städtischen Männergefängnisses von Barcelona auch weiterhin nur richtig böse Gangster Fussball spielen. Hooligans zum Beispiel.

Pedro Lenz ist Schriftsteller und lebt in Olten. Seine Steuererklärung lässt er von einer Vertrauensperson ausfüllen. Werbeeinnahmen hat er keine.