Energiewende: Für die Armen wird es teuer

Nr. 37 –

Energieministerin Doris Leuthard hat vergangene Woche die Botschaft zur Energiestrategie 2035 in die Vernehmlassung geschickt. Den versprochenen Atomausstieg findet man nicht darin. Aber man findet viele Massnahmen, die eine Energiewende einläuten sollen.

Leuthard will vor allem «Anreize schaffen», um die Welt besser zu machen. Es wird aber nicht mehr kosten und das Wachstum nicht behindert, lautet das Fazit der Botschaft. Schön. Alle dürfen weitermachen wie bisher.

Die neuen erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne oder Biomasse will man natürlich fördern. Heute decken sie drei Prozent unseres Stromverbrauchs, was zwei Terawattstunden pro Jahr entspricht. Bis in zwanzig Jahren sollen es gut vierzehn Terawattstunden sein. Allerdings warten heute schon viele Projekte auf Bundesförderung, könnten sie realisierten werden, stünden zehn Terawattstunden bereit. Projekte gibt es also genug, nur fehlen die Fördermittel.

Bei all diesen Kalkulationen gibt es eine Unbekannte: die Strommarktliberalisierung. Die EU will, dass die Schweiz ihren Strommarkt ab 2014 vollständig öffnet – sonst hätte sie künftig nur noch beschränkten Zugang zum europäischen Markt, so steht es in der Botschaft. 2014 beginnt in gut sechzehn Wochen. Doch noch fehlen die gesetzlichen Grundlagen. Keiner weiss also, wie die Liberalisierung konkret vonstattengehen soll.

Die Schweizer Stromversorgung entstand im Geist der Landesverteidigung. Das gab der Branche Macht, garantierte aber auch, dass staatliche Versorger alle Haushalte zu einem vernünftigen Preis beliefert haben. Künftig sollen alle Haushalte und Kleinbetriebe den Strom beim billigsten Anbieter kaufen können.

Mit Subventionen versucht man zwar, die ökologische Produktion zu stimulieren, gleichzeitig mischt billiger Dreckstrom aus Kohlekraftwerken den Markt auf. Einst teurer Mittagsstrom ist schon heute nicht mehr viel wert, grosse Energieversorger kämpfen ums Überleben, das alte Machtgefüge dürfte zerfallen.

Das wäre eine Chance, eine umweltfreundliche, dezentrale Energieversorgung aufzubauen. «In mehreren Ländern ist es gemäss UBS ohne Subventionen heute schon günstiger, eine Solaranlage auf dem Dach zu montieren als Strom aus dem Netz zu beziehen», sagte jüngst Thomas Vellacott, CEO von WWF Schweiz. Fast so gross seien die Fortschritte bei der Effizienz, fügte er noch an: «Ein Topkühlschrank braucht noch gut halb so viel Strom wie vor zehn Jahren, ein durchschnittlicher Neuwagen immerhin ein Viertel weniger Benzin.» Vellacott hat recht. Aber er spricht für die Schicht, die ein Haus besitzt und sich einen Neuwagen leisten kann.

Diese Entwicklung hat Nebenwirkungen und wirkt entsolidarisierend, wie man in Deutschland verfolgen kann. Grosse Unternehmen bauen beispielsweise gasbetriebene Blockheizkraftwerke – damit sie unabhängig vom Netz sind, günstig ihren eigenen Strom produzieren können und nichts mehr an die Energiewende bezahlen müssen. Blockheizkraftwerke können durchaus sinnvoll sein, in diesem Fall bedeutet es aber, dass sich immer weniger an den Kosten der Energiewende beteiligen. Die Subventionen für den Solar- und den Windstrom werden nämlich über das Netz finanziert: Wer aus dem Netz Strom bezieht, bezahlt pro Kilowattstunde einen bestimmten Beitrag an die Einspeisevergütung. Wenn sich nun grosse Firmen ausklinken, müssen zwangsläufig die verbleibenden KonsumentInnen für die Subventionen geradestehen. Deshalb wird der Strom für die Bevölkerung immer teurer. Eigentlich ist es eine Energiesteuer, die wie die Mehrwertsteuer sehr unsozial ist.

Die Schweizer Regelung ist der deutschen sehr ähnlich, auch wenn heute pro Kilowattstunde erst 1 Rappen an die Einspeisevergütung bezahlt wird. Der Beitrag wird demnächst erhöht, soll aber 2,3 Rappen nicht überschreiten. In der Botschaft wird vorgerechnet, dass die Energiewende den einzelnen Haushalt nicht mehr kosten wird. Das stimmt für die Wohlhabenden, nicht aber für die Armen.

Energie soll teurer werden – doch muss dies an eine ökologische Steuerreform gekoppelt sein. Aber genau das will der Bund partout nicht. Und so droht die Energiewende zu einer Umverteilungsmaschine von unten nach oben zu verkommen.