Entwicklungszusammenarbeit: Leitungen aus der Sackgasse

Nr. 50 –

Rund 1,4 Milliarden Menschen leben ohne Strom. Auch in der Entwicklungshilfe braucht es eine Energiewende.

Hunderte Milliarden Franken an Entwicklungshilfe haben die Regierungen der Welt, die Weltbank und andere Institutionen in den vergangenen Jahrzehnten in den Energiesektor gesteckt. Trotzdem haben noch immer etwa 1,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer Stromversorgung. Der Grund: Die offizielle Energiepolitik der internationalen Finanzinstitutionen konzentriert sich vor allem auf grosse Wasser-, Kohle- und Gaskraftwerke, die das nationale Stromnetz speisen und so in erster Linie den städtischen Mittelschichten und grossen Industriebetrieben nützen. An den Bedürfnissen der Armen zielt diese Energiestrategie jedoch weit vorbei.

Strom für die Städte und den Bergbau

So haben in der Vergangenheit internationale Finanzinstitutionen etwa in der Demokratischen Republik Kongo Milliardenbeträge in grosse Staudämme investiert. Doch die dort gewonnene Elektrizität wird im Bergbau genutzt, während ein grosser Teil der ländlichen Bevölkerung weiter ohne Strom ist. Daran wird auch der geplante Grand-Inga-Komplex am Kongofluss wenig ändern. Das derzeit grösste Staudammprojekt der Welt kostet schätzungsweise achtzig Milliarden US-Dollar. Dabei soll der Kongo vollständig umgeleitet und aufgestaut werden.

Zwar könne Grand Inga – mit einem kontinentalen Übertragungsnetzwerk – 500 Millionen Menschen in Afrika mit Strom versorgen. Doch auch der Strom aus dem geplanten Inga-3-Damm, der ersten Stufe von Grand Inga, soll vor allem die kongolesische Bergbauindustrie und die Städte Südafrikas mit Strom versorgen.

Aber das Stromnetz in Afrika und Südasien dient ohnehin nicht der ländlichen Elektrifizierung. Und angesichts der geringen Bevölkerungsdichte ist gerade in Schwarzafrika der Aufbau eines flächendeckenden Stromnetzes auch in Zukunft kein realistischer Weg, um ländliche Regionen mit Strom zu versorgen. Eine armutsorientierte Energiewende ist also überfällig.

Die Möglichkeiten dafür existieren bereits. So zeigt die Internationale Energieagentur, dass siebzig Prozent der ländlichen Gebiete in Entwicklungsländern am besten durch dezentrale Solar-, Wind- und Kleinstwasserkraftwerke versorgt werden können. Bereits heute ist der Strom aus Solarlampen mit eingebauten Ladegeräten für Handys dreimal billiger als der Strom, den Grand Inga in frühestens fünfzehn Jahren bereitstellen soll. Dorfgemeinschaften, private Firmen, nichtstaatliche Organisationen (NGOs) und Regierungsprogramme installieren Millionen von kleinen Solaranlagen und Kleinstkraftwerken. Doch damit diese neuen Energiequellen wirklich genutzt werden können, braucht es Technologietransfers, Kreditprogramme und Ausbildungsangebote auf allen Stufen.

Nur ein paar Brosamen

Zwar finanziert die Weltbank durchaus Projekte zur Gewinnung erneuerbarer Energien für die Armutsbekämpfung, die sehr wirksam sind – genauso wie die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Partnerschaft Energie für Entwicklung (EnDev), einer 2005 entstandenen Initiative zwischen den Niederlanden, Deutschland, Norwegen, Australien, Britannien und der Schweiz, die sich in Afrika, Lateinamerika und Asien für eine nachhaltige Energieversorgung einsetzen.

Doch solche Programme erhalten nur die Brosamen vom Tisch der Entwicklungszusammenarbeit. So dienten 2013 gerade mal acht Prozent aller Energiekredite der Weltbank der Stromversorgung armer Bevölkerungsschichten. Laut einem internen Bericht der Weltbank bildet «der hohe Anteil der Vorbereitungs- und Überwachungskosten» jener Projekte einen «negativen Anreiz» für die Verantwortlichen der Finanzinstitution. Das Leitmotiv der Weltbank lautet also immer noch «big is beautiful».

Sackgasse Modellprojekt

Mitte Dezember werden die Mitgliedstaaten der Weltbank (einschliesslich der Schweiz) in Moskau ihre Beitragszahlungen für die nächsten drei Jahre an den Weltbank-Fonds für die ärmsten Länder aushandeln. Bereits hat die Weltbank den Inga-3-Damm als Modellprojekt für die künftige Finanzierungspolitik dieses Fonds bezeichnet – obwohl es sich dabei um eine Sackgasse handelt. Auch deshalb haben internationale NGOs die Regierungen dazu aufgefordert, ihre künftigen Beitragszahlungen für den Energiesektor weg von der Weltbank und in Programme wie EnDev oder in den neuen Grünen Klimafonds zu verschieben. Denn diese Initiativen fördern nicht nur erneuerbare Energiequellen, sondern bekämpfen effizient die Armut und schützen gleichzeitig die Umwelt.

Peter Bosshard ist Policy Director der 
internationalen Umweltorganisation International Rivers und arbeitete zuvor als Koordinator 
bei der Erklärung von Bern.