«Hooligan-Konkordat» und Fankultur: Pyro statt Nebelpetarden
Immer wieder prägen Begriffe die politische Debatte, die eigentlich Nebelpetarden sind. Im letzten Frühjahr ging es nicht um Abzocker, sondern um Aktionärsrechte. Und nun geht es nicht um Masseneinwanderung, sondern um Rassismus. Auch die Behörden haben die Nebelpetarde als Mittel entdeckt. Besonders erfolgreich war die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, die 2007 das «Hooligan-Konkordat» verabschiedete.
Dem Bundesgesetz haben mittlerweile mehr als die Hälfte aller Kantone zugestimmt. Um Hooligans geht es dabei nicht. Kann es auch gar nicht, weil es hierzulande kaum noch Hooligans gibt. Das Konkordat richtet sich gegen eine Fankultur, die seit den neunziger Jahren in den Stadien Einzug gehalten hat: die Ultras. Choreografien, Pyroshows und Gesänge prägen seither die Fankurven.
In einer Gesellschaft, die vom Sicherheitswahn ergriffen ist, wurden die wilden Ultras von der Politik und den Medien rasch zur Bedrohung der inneren Sicherheit erklärt. Das Konkordat ist Ausdruck davon: Rayon- und Stadionverbote, Fichierungen, Filzen bis in den Intimbereich.
Auch Linke tun sich mit dieser Fankultur meist schwer. Ihnen fehlt das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit, und sie stören sich an den teils sexistischen, homophoben und rassistischen Gesängen – obwohl diese in den letzten Jahren merklich nachgelassen haben. Aber auch die Ultras gehen mehrheitlich auf Distanz zu linken Ideen und definieren sich selbst als apolitisch.
Durch diese gegenseitige Distanz geht vergessen, dass beide Gruppierungen für das gleiche Anliegen einstehen: für selbstbestimmte Freiräume und die Wahrung von Grundrechten. Und der Kurvenslogan «Nein zum modernen Fussball» ist eine klare Absage an die weit fortgeschrittene Ökonomisierung und Kommerzialisierung des Sports.
Wegen gegenseitiger Bedenken hat man sich bisher zu wenig unterstützt. Einzig in der Fussballhochburg Basel ist der Widerstand gegen das «Hooligan-Konkordat» breit. Am 9. Februar haben die Stimmberechtigten im Kanton Bern die Möglichkeit, das «Hooligan-Konkordat» abzulehnen. Und sich so für einen bunten und selbstbestimmten Raum einzusetzen – auch wenn es nicht unbedingt der ihre ist.