Medien: Supinos «Asozial-Plan»

Nr. 12 –

Tamedia erhebt einen schlechten Sozialplan zum Standard. Dagegen will der letzte «Landbote»-Familienaktionär in nachhaltige Medien investieren.

Erleichtert begrüsste Pietro Supino die Anwesenden, als sich der Konferenzsaal doch noch gefüllt hatte: «Wir waren schon frustriert, dass wir unter uns bleiben.» Über den Dächern Zürichs präsentierte die Tamedia-Spitze das Jahresergebnis. Unten auf der Strasse hatten zuvor hundert Angestellte der Zürcher Regionalzeitungen mit einem Pfeifkonzert einen besseren Sozialplan gefordert. «Unser Asozial-Plan ist euer Gewinn», stand auf Schildern. Die Tamedia-Verantwortlichen hatten sich nicht blicken lassen.

Präzedenzfall

Dass der Umsatz des Konzerns 2013 um fünf Prozent auf mehr als eine Milliarde stieg, ist auf den Kauf von Internetdienstleistern zurückzuführen. Sie vermitteln Arbeit, Wohnungen und Autos, dazu kommen der Ticketdienst Starticket und die Doodle-Agenda. «Big Data ist die grösste kommerzielle Chance», meinte Supino. Es geht also nicht mehr um Journalismus, sondern bloss um Werbung, die gezielt auf die persönlichen Daten der KundInnen ausgerichtet werden kann. Das Betriebsergebnis schliesst mit einem Gewinn von 119 Millionen. Für Supino, der als Verwaltungsratspräsident als Lohn 1,7 Millionen kassiert, kommen als Dividende 5,8 Millionen dazu.

Weniger grosszügig zeigt man sich für die MitarbeiterInnen: Auf den Redaktionen von «Landbote», «Zürcher Unterländer» und «Zürichsee-Zeitung» werden fünfzehn Vollzeitstellen gestrichen, weitere bei der Ziegler-Druckerei in Winterthur dürften folgen. Am ungenügenden Sozialplan will Tamedia festhalten. «Dieser Sozialplan gilt künftig für die ganze Gruppe», kündigte Unternehmensleiter Christoph Tonini an. Das Vorgehen wird zum Präzedenzfall.

Tamedia hat den Sozialplan einseitig erlassen. Nach einem Protest der Beschäftigten wurde er leicht nachgebessert – entgegen den Beteuerungen der Konzernspitze gab es aber nie Verhandlungen. Das bestätigen die Vertreter der Personalkommission. Im Vergleich mit dem bisherigen Sozialplan, der bei der Entlassungswelle beim «Tages-Anzeiger» 2009 erkämpft wurde, bringt der neue deutliche Verschlechterungen: So gibt es keine Ausgleichszahlungen bei Arbeitslosigkeit. Vor allem aber spart Tamedia bei Frühpensionierungen. Zahlte sie bisher einer sechzigjährigen Mitarbeiterin bis zur Pensionierung rund 140 000 Franken, sind es neu noch 30 000.

Stephanie Vonarburg von der Gewerkschaft Syndicom kritisiert: «Als grösster und reichster Medienkonzern hätte Tamedia eine Vorbildfunktion.» Die Beschäftigten wollen weiter für Verhandlungen kämpfen. Für Vonarburg ist der Fall für die ganze Branche bedeutsam, weil diese über keinen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) verfügt. Der GAV, der bis 2004 in Kraft war, schrieb nicht nur Eckwerte eines Sozialplans fest, sondern auch Verhandlungen der Sozialpartner.

Warnung überhört

Vergangene Woche wurde bekannt, dass Beat Weber, der letzte Aktionär der ehemaligen Besitzerfamilie, seinen Anteil von 9,5 Prozent am «Landboten» an Tamedia verkaufte (siehe WOZ Nr. 36/13 ). Weber nennt drei Gründe: Er wäre für die künftige Politik von Tamedia, gerade bei Entlassungen, mitverantwortlich; Abklärungen hätten ergeben, dass er mit seinem Aktienanteil keinen Einfluss mehr nehmen könne; und schliesslich wollte er «psychologisch» einen Schlussstrich ziehen. Verärgert ist Weber nicht über Tamedia. «Es gibt keine lieben und keine bösen Konzerne, sondern nur Konzerne, und die wollen Gewinn machen.» Das Wirtschaftssystem brauche grundsätzlich eine Änderung, die Beschäftigten müssten dafür links wählen und handeln.

Verärgert ist Weber über Familienmitglieder, die nur auf den Verkauf schielten, und die Winterthurer Politik, die trotz Warnungen nicht handelte. Weber will erst mal eine Pause machen und sich überlegen, wofür er den Erlös von sieben Millionen Franken einsetzen will. Er möchte das Geld nicht für sich behalten, sondern einen Teil weitergeben – etwa zur Unterstützung entlassener JournalistInnen oder als Investition in nachhaltige Medien.