Durch den Monat mit Manuel Stahlberger (1): Du hast den Albumtitel geträumt?

Nr. 14 –

Der Musiker Manuel Stahlberger erklärt, warum er für seine Songs immer weniger Wörter braucht. Und weshalb bei der Produktion eines Albums ein guter Grillmeister nützlich ist.

Manuel Stahlberger in seinem Proberaum: «Für das, was wir machen, ist das Album mit seinen traditionell zehn bis vierzehn Songs schon das richtige Format.»

WOZ: Manuel Stahlberger, wir kennen uns zwar schon lange, aber wir haben noch gar nie darüber gesprochen, was es bedeutet, ein Album herauszubringen. Diese Woche erscheint das dritte Album deiner Band. Was ist das für ein Moment?
Manuel Stahlberger: Die ganze Arbeit, der ganze Druck konzentrieren sich darauf. Die Vorbereitung ist fertig, die Tournee beginnt. Noch gibt es tausend Dinge zu tun, gerade bin ich daran, Visuals für die Konzerte zu machen. Gleich werden alle CDs hier im Atelier angeliefert, wo sie gelagert werden. Es ist jeweils schön zu sehen, wie die Beige kleiner wird und die CDs unter die Leute kommen. Ich frage mich allerdings, ob überhaupt noch viele Leute eine CD kaufen.

Macht euch der Einbruch im Musikgeschäft zu schaffen?
Als Band haben wir zu fünft sowieso nur immer ein Sackgeld verdient – wir überleben alle mit unseren Soloprojekten und anderen Jobs. Bis jetzt war es einfach so, dass eine CD die Produktion der nächsten finanziert hat. Das ist immer schön aufgegangen. Eigentlich haben wir schon im Sinn, noch mehr Platten zu machen.

Könntet ihr euch als Band überhaupt vorstellen, Musik zu machen ohne ein Album als Anlass?
Für das, was wir machen, ist das Album mit seinen traditionell zehn bis vierzehn Songs schon das richtige Format, weil es die Songs in einen Bezug setzt. Sie haben vielleicht keinen, aber dadurch, dass sie auf dem gleichen Album sind, entstehen Geschichten untereinander. Ich finde es auch interessant, einer Platte einen Titel zu geben und die Lieder darunter zu betrachten. Von bestimmten versteht man nicht, warum sie unter diesem Titel Platz haben sollen, aber über den Umweg über ein anderes Lied erscheint es wieder logisch. Oder über die Musik, die verwandt klingt.

Der Titel eures neuen Albums lautet «Die Gschicht isch besser». Wie ist dieser entstanden?
Es tönt jetzt wie ein Klischee, aber ich habe geträumt, dass unsere nächste Platte so heisst. Das war lange bevor es irgendeinen Text gab oder ein Lied dafür. Der Titel gefiel mir, weil er vorwärts zielt. Ich dachte damals, das Album werde optimistisch.

Wie lange habt ihr daran gearbeitet?
Wir sind keine Band, die ständig am Proben ist, nach jedem Album zerstreuen wir uns wieder und verfolgen eigene Projekte. Wenn wir dann alle paar Monate zusammenkommen, um neue Lieder zu machen, ist das jeweils eine Art von Entdeckung: Bei mir sammeln sich die Texte an, bei den anderen die Musiken. Mit den Entwürfen haben wir uns eine Woche lang ins alte Gasthaus Grünenwald in die Innerschweiz zurückgezogen.

Dort ist das Album wie von selbst entstanden?
Es herrschte tatsächlich eine aufgeräumte Stimmung, wie man so sagt. Die Woche bestand aus Musik machen, Grillen und Tischfussball. Klar, wenn wir nach drei Tagen keinen Song gehabt hätten, wären wir wohl schon unter Druck geraten und hätten uns gefragt, ob wir jetzt die Bandkasse für Grillzeugs verpulvern. Aber das Gegenteil war der Fall. Zum Essen hörten wir Musik, und oft merkten wir: Genau mit diesem Stil kommen wir weiter, dann haben wir das ausprobiert. So lief das Tag und Nacht, auch dank unserem Bassisten Bit-Tuner, der als Grillmeister die Ruhe selbst ist.

Merken jeweils alle, wenn ein Song fertig ist?
In den meisten Fällen ja. Manchmal passt ein Text auch zu zwei Melodien. Beim Lied über den Weltuntergang hatten wir zum Beispiel eine funkig-schnelle und eine poppig-kitschige Version. Wir haben uns dann für die Breitleinwand entschieden. Das Entstehen eines Songs ist mit einem Kartenspiel zu vergleichen. Man hat verschiedene Karten und schaut, welche sticht.

Ich finde es euer bestes Album bisher. Es klingt nicht optimistisch, sondern ernsthaft, kommt ohne lustige Songs aus. Scheinbar driftet es vorbei, um einen umso tiefer in seinen Sog zu ziehen. Woher rührt diese Stimmung?
Ich würde nicht sagen, dass sich die Stimmung im Vergleich zum letzten Album verändert hat. Die Ausgangslage der Lieder ist noch immer ähnlich, aber ihre Form ist anders: Die Texte sind nur noch grobe Strichzeichnungen und nicht mehr die ausschraffierten, ewig langen Beschreibungen, wie jemand einen Fenchel isst im Zug beispielsweise.

Was hat dich an dieser Reduktion interessiert?
Ich stellte mir die Frage, wie früh ich einen Songtext aufhören kann, damit genug gesagt ist, und gleichzeitig wie früh, dass möglichst viel drinsteckt. Für die Fantasie der Zuhörerinnen und Zuhörer wie für die eigene. Früher dachte ich häufig, es brauche noch ein, zwei Strophen mehr. Doch ich habe gemerkt, dass mit der Musik zusammen viel mehr anklingt, als wenn ich bloss den Text vor mir habe. Wie im Lied über den Weltuntergang. Da heisst es in einer Zeile, dass es den Garten durch die Wohnung bläst. Früher hätte ich noch alle Gegenstände beschrieben, die vorbeifliegen.

Manuel Stahlberger (39) lebt als Musiker, Kabarettist und Zeichner in St. Gallen. 
«Die Gschicht isch besser» erscheint am 4. April 2014 bei Irascible.