Die USA zurück im Irak: Keine Bombenlösung

Nr. 33 –

Hoffen wir, dass die US-Bomben, die seit letztem Wochenende im Norden des Irak fallen, genauer treffen als die Worte des Oberbefehlshabers Barack Obama. Der Friedensnobelpreisträger verkaufte den erneuten US-Militäreinsatz im Irak nämlich zugleich als «klar begrenzt» und als «zeitlich unbefristet», als mannhafte «Verteidigung nationaler Interessen» und uneigennützige «humanitäre Intervention».

Einerseits sollen mit Luftkampfeinsätzen jene US-AmerikanerInnen vor Angriffen der vorrückenden Kämpfer der dschihadistischen Organisation Islamischer Staat (IS, vormals Isis) geschützt werden, die als Geschäftsleute, Militärangehörige, DiplomatInnen und CIA-Angestellte in der bisher sicheren kurdischen Stadt Erbil leben. Kurz vor den Zwischenwahlen im Herbst will der Präsident kein zweites Benghasi riskieren. Der tödliche Anschlag auf dieses US-Konsulat in Libyen vor zwei Jahren hatte die Wiederwahl Obamas erheblich belastet.

In den Vordergrund schiebt die US-Regierung aber die zweite Begründung für die Einsätze, von der KriegsgegnerInnen fürchten, dass daraus ein «Mission Creep» wird, die schleichende Ausweitung einer militärischen Intervention. Präsident Obama will den «potenziellen Genozid» an der religiös-ethnischen Minderheit der JesidInnen verhindern, die zu Zehntausenden ins Sindschargebirge geflohen sind. Die US-PilotInnen werfen dort Nahrung, Medikamente und Wasser ab, um die unmittelbaren Überlebenschancen der Flüchtlinge zu erhöhen. Doch ein sicheres Geleit durch die feindlichen Reihen des IS können oder wollen die USA nicht garantieren. Die Flüchtlinge sitzen vorläufig fest. Und so wird ausgerechnet die Situation dieser kleinen, eher weltabgewandten Gruppe zum Sinnbild der verfahrenen Politik in dieser Region, die in einer Zeitschleife gefangen scheint.

1991 gab es bereits einmal Tausende von Menschen ohne Nahrung und Wasser in den nordirakischen Bergen. Damals waren KurdInnen vor Saddam Husseins Schergen geflüchtet. Und Präsident George Bush senior versorgte die Eingeschlossenen – eine verzweifelte Bevölkerung, die er selber zum Aufstand gegen die regierende Baath-Partei aufgerufen hatte – aus der Luft. Zehn Jahre später dienten die Kosten für die Aufrechterhaltung der Flugverbotszone über Kurdistan den Neokonservativen in den USA als Argument für die Invasion in den Irak – eine Billionen-Dollar-Intervention, die ziemlich direkt zum heutigen Desaster führte: einem sektiererisch zerstrittenen Land. Denn auf den einst von den USA gestützten grausamen sunnitischen Diktator Saddam Hussein folgte 2006 der ebenfalls gewalttätige und bis vor kurzem von den USA gestützte schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Und auf der andern Seite soll der mächtigste Mann des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, unter US-Besatzung, nämlich im Gefangenenlager Bucca, politisch radikalisiert worden sein.

Nach jahrzehntelangem Konflikt werden in diesem Land mittlerweile alle beteiligten Parteien direkt oder indirekt von den USA unterstützt oder kämpfen, wie der IS, mit US-amerikanischen Waffen. Obama ist bereits der vierte US-Präsident in Folge, der den Irak bombardiert. Wieso nur liess sich auch der blitzgescheite ehemalige Friedensfürst nochmals zum Kampfeinsatz in diesem Chaos drängen? Der Historiker und Nahostexperte Juan Cole nennt drei halbwegs nachvollziehbare pragmatische Gründe: Erstens wolle Obama die nationale Einheit des Irak fördern und dafür den Sektierer Maliki verdrängen. Zweitens sollen die KurdInnen im Nordirak als Gegenleistung für die militärische Unterstützung der USA zum Verbleib in der irakischen Föderation aufgefordert werden. Und drittens hätten die USA mit den Peschmerga als stellvertretenden Bodentruppen bisher gute Erfahrungen gemacht.

Doch was Präsident Obama – vielleicht – als begrenzte Operation sieht, verstehen die alten und die neuen Kriegsfalken in den USA als Freipass für einen «muskulösen Humanitarismus», bei dem ganz sicher allein die Rüstungsindustrie gewinnt. Oder wie es der kleine Rest der US-Friedensbewegung sagt: Das irakische Volk hat noch nie von einer US-Bombe profitiert. Und wird es auch nie tun.

Siehe auch «Syrien und der IS: Verzweiflungstat in letzter Minute»