Rumänien: Microsoft und Fujitsu-Siemens unter Korruptionsverdacht
In Rumänien sollen internationale IT-Konzerne jahrelang Schmiergelder in Millionenhöhe an ranghohe PolitikerInnen gezahlt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Spuren führen auch in die Schweiz.
Multinationale Unternehmen hatten in Rumänien bis vor kurzem einen ziemlich guten Ruf. Vor allem die IT-Branche trage zur schnellen Modernisierung des Landes bei, so die gängige Meinung. Internationale Firmen würden Arbeitsplätze von hoher Qualität schaffen und neben neuen Technologien auch eine solide und korrekte Geschäftskultur mitbringen. Diese Sicht der Dinge könnte sich als eklatant falsch herausstellen: Seit Anfang Oktober ermittelt die Staatsanwaltschaft in Bukarest gegen neun ehemalige Minister, die von Konzernen wie Microsoft oder Fujitsu-Siemens für die Vergabe von lukrativen Aufträgen mit Millionen geschmiert worden seien. Bei den meisten Verdächtigten handelt es sich um heutige Mitglieder des rumänischen oder des Europäischen Parlaments, weshalb die Staatsanwälte in Bukarest die Aufhebung von deren Immunität beauftragten und damit die Akten öffentlich machten.
Jahrelange Bestechung
In den letzten fünfzehn Jahren sei praktisch jede Anschaffung von Computersystemen für die Verwaltung durch Schmiergeldzahlungen ermöglicht worden. So soll etwa Microsoft systematisch MinisterialbeamtInnen und MinisterInnen bestochen haben, um der Regierung Softwarelösungen für Ämter und Behörden, aber auch für Schulen und die staatliche Krankenkasse verkaufen zu können. Bei der Anschaffung von Rechnern erhielt Fujitsu-Siemens den Zuschlag, nachdem der Konzern aus eigener Initiative mehreren MinisterInnen Schmiergelder in Aussicht gestellt habe. Sämtliche Regierungen hätten immer wieder Verträge unterzeichnet, bei denen das Auswahlverfahren manipuliert wurde oder die Aufträge überhaupt nicht öffentlich ausgeschrieben worden waren. Die rumänischen SteuerzahlerInnen zahlten das Doppelte oder Dreifache der marktüblichen Preise für die Computer und Softwaresysteme.
Alles soll kurz nach der Jahrtausendwende angefangen haben, als der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Adrian Nastase die veraltete Technologie in den Büros der Verwaltung grundlegend modernisieren wollte. Nastase ist in den letzten Jahren bereits zweimal wegen Korruption zu Haftstrafen verurteilt worden. Auch in dieser Affäre hat er offenbar ein kompliziertes, aber effizientes System geschaffen und aufrechterhalten, das ihm und anderen Kabinettsmitgliedern einen ständigen Zufluss von Schmiergeldern garantierte. Sobald eine Verlängerung der Lizenzverträge anstand, setzten sich die rumänischen Tochterfirmen der IT-Konzerne anscheinend mit der neuen Regierung in Verbindung, um sich den Auftrag zu sichern. Oft sollen auch Preisabsprachen und illegale Geldzahlungen zwischen den Unternehmen stattgefunden haben.
Als Mittelsleute zwischen Regierung und Unternehmen fungierten bekannte Geschäftsleute aus Nastases Umfeld. Unter dem Vorwand fiktiver Dienstleistungs- und Beratungsaufträge schleusten sie die Schmiergelder angeblich auf Bankkonten in der Schweiz und auf Zypern, bevor sie sie in bar nach Rumänien brachten und an die beteiligten Politiker verteilten. Auf dieselbe Weise sollen sie später auch den Mitgliedern des wirtschaftsliberalen Kabinetts des ehemaligen Ministerpräsidenten Emil Boc geholfen haben, die Schmiergelder von Microsoft oder Fujitsu-Siemens einzukassieren. Es waren diese Geschäftsleute, die die aufsehenerregendsten Aussagen gemacht und den Staatsanwälten die Details der Affäre beschrieben haben.
Wesentlich für das Bestechungssystem sei auch die Beteiligung der österreichischen und deutschen Tochterfirmen von Fujitsu-Siemens gewesen. Deren Manager hätten von den strafbaren Vorgängen gewusst und daran teilweise aktiv teilgenommen, indem sie zusammen mit rumänischen Mittelsleuten Zweckgesellschaften gründeten. Die Staatsanwaltschaft in Wien ermittelt nun ebenfalls gegen einige dieser Personen. In der Schweiz spielte die Bank Leu eine wesentliche Rolle in dem Geschäft: Über das Geldhaus sei die Geldwäscheoperation gelaufen. Mehrere involvierte rumänische UnternehmerInnen bestätigten, dass sie in ständigem Kontakt mit den Angestellten der Bank waren und sich oft in Zürich aufhielten, um die Transaktionen zu betätigen. Das Bankpersonal soll nicht nur davon Kenntnis gehabt, sondern die Mittelsmänner auch konkret beraten und bei der Gründung von Offshorefirmen unterstützt haben.
Ende 2011 stellte die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Sache ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz. Im Dezember 2012 meldete die Credit Suisse, die mittlerweile die Bank Leu als Clariden Leu übernommen hatte, zusätzlich ein verdächtiges Konto bei der Meldestelle für Geldwäscherei. In den an Österreich übergebenen Bankauszügen sind zahlreiche verdächtige Geldbewegungen dokumentiert; die Deliktsumme wird auf 45 Millionen US-Dollar geschätzt. Gegenwärtig sind rund 2,5 Millionen Euro auf zwei Schweizer Konten gesperrt; eine Entsperrung lehnte das Bundesstrafgericht im Juli 2014 ab.
Möglicher Einfluss auf Wahlkampf
Bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen könnte die Affäre dem derzeit aussichtsreichsten Kandidaten, dem sozialdemokratischen Premier Victor Ponta, erheblich schaden. Zwar wurden gegen ihn keine Ermittlungen aufgenommen. Doch auch er könnte laut einer Zeugenaussage als früherer Leiter eines Kontrollgremiums in der Nastase-Regierung in die Affäre verstrickt sein. Auch für die heutige wirtschaftsliberale Opposition sind die Akten unangenehm: Wichtige Politiker und Geschäftsmänner aus dem Umfeld des Staatspräsidenten Traian Basescu seien ebenfalls an korrupten Geschäften beteiligt gewesen. Basescu hat mit dem Versprechen der Korruptionsbekämpfung zweimal die Wahlen gewonnen und unterstützt im jetzigen Wahlkampf die kleine Partei Volksbewegung (PMP) und deren Kandidatin Elena Udrea.
Mitte Oktober nahm die rumänische Antikorruptionsbehörde (DNA) weitere Personen und Unternehmen ins Visier. An einem einzigen Tag durchsuchte sie über fünfzig Privatwohnungen und Firmensitze. Inzwischen stehen auch die Verträge des Innenministeriums mit dem deutschen Rüstungskonzern Airbus unter Verdacht: Bei der Vergabe des Auftrags für elektronische Sicherheitssysteme im Bereich Grenzschutz und Grenzüberwachung soll ein Teil der 700 Millionen Euro hohen Auftragssumme ebenfalls als Schmiergeld in den Taschen diverser PolitikerInnen und MinisterialbeamtInnen verschwunden sein. In den letzten Jahren musste Rumänien auf Druck der EU massiv in die Sicherung seiner Grenzen investieren – ein Beitritt zum Schengen-Raum hat in Bukarest oberste politische Priorität.
Der Skandal bestätigt die Überzeugung vieler RumänInnen, dass die gesamte politische Klasse systematisch in Korruptionsaffären verstrickt ist – mit erheblichen Auswirkungen auf den ohnehin schon strapazierten öffentlichen Haushalt. Mittelfristig könnte diese immer weiter verbreitete Skepsis politischen AussenseiterInnen nutzen: VertreterInnen der Protestbewegungen, aber auch TechnokratInnen oder RechtspopulistInnen. Vor allem aber zerstört die Affäre den Mythos, dass die Öffnung des Landes für internationale Konzerne automatisch die Korruptionskultur beseitigt. Der Skandal zeigt, dass der massive Kapitaleinfluss aus Westeuropa oder den USA die demokratische Kontrolle durch einen funktionierenden Staat nicht ersetzen kann.